Die Albanerin Anila Wilms ist die Trägerin des Adalbert-von-Chamisso-Preises 2013. Die Schriftstellerin kommt im Rahmen des Projektes "Deutsch geht gut" nach Bietigheim, um aus ihrem Buch "Das albanische Öl oder Mord auf der Straße des Nordens" zu lesen.
GABRIELE SZCZEGULSKI | 24.01.2014
Albanien ist für Westeuropäer ein geheimnisvolles und geheimnisumwittertes Land. Im Norden des Landes wurden im Jahr 1924 zwei Amerikaner ermordet. Nur, warum und was machten die in dem unwirtlichen Land? Dort, wo noch der Heilige Kanun, ein ungeschriebenes Gesetz, regiert.
Es gibt nicht viele Momente in der albanischen Geschichte, in denen sich die große Welt für das kleine Balkanland interessierte, das Jahr 1924 gehört aber ganz sicher dazu. Öl war entdeckt worden, und Washington, Den Haag und London mobilisierten ihre Diplomaten, um Standard Oil, Shell oder der Anglo-Persian Oil Company den Zugang zu den Vorkommen zu sichern. 1924 war leider auch das Jahr, in dem das junge Albanien seine Hoffnung auf Demokratie und Wohlstand aufgeben musste.
Das ist die Ausgangssituation von Anila Wilms Buch "Das albanische Öl oder Mord auf der Straße des Nordens". Zum ersten Mal in zwölf Jahren ist eine Albanerin zu Gast beim Literaturprojekt "Deutsch geht gut". Und es ist an der Zeit, mehr zu erfahren von diesem an Europa grenzenden Land, von dem wir so wenig wissen. Die 43-jährige Anila Wilms lebt seit 1994 in Berlin und schrieb ihren Roman auf Deutsch und Albanisch. Den Adalbert-von-Chamisso-Preis der Robert-Bosch-Stiftung bekam sie, weil sie "eine exotisch-burleske Episode aus der Geschichte des jungen albanischen Staates als Politkrimi" erzählt, so die Jury. Ihr von Menschen aus dem Volk, gewieften Diplomaten und mehr als dubiosen Politikergestalten bevölkerter Text könne auch als "literarisch überzeugendes Gleichnis für den heutigen Zustand Albaniens" gelten.
Die Frage, wollen wir überhaupt etwas von und über Albanien wissen, stellt sich bei der Lektüre des Buches nicht, weil es in vorderster Linie ein sehr gut geschriebener Roman ist, dessen Sprache, vor allem die Dialoge, immensen Spaß machen. Mit Ironie und Akribie kriecht Anila Wilms in die Charaktere und der Leser steht daneben, staunt und schmunzelt in sich hinein.
Vielleicht ist der Roman auch deshalb so spannend, weil Wilms genau weiß von was sie schreibt. Mütterlicherseits stammt sie aus einer Familie von reichen und politisch einflussreichen Beys (um die es auch zum Teil in ihrem Roman geht), die nach 1945 als die natürlichen Feinde des kommunistischen Regimes enteignet und entmachtet wurden.
Es wird nicht zu viel verraten, wenn man resümiert, dass "Das albanische Öl" eine verrückte Geschichte ist, die tatsächlich passiert ist und weltpolitische Folgen hatte. Die Geschichte, so skurril und doch ernsthaft sie ist, so spannend und unterhaltsam ist sie - auch wenn sie in Albanien spielt. Spritzig und frisch erzählt sich Anila Wilms durch das Buch, das man erst weglegen mag, wenn das Ende da ist. Denn es macht einfach Spaß, wie die Nicht-Deutsche Wilms in ihr einwandfreies Literatur-Deutsch albanische Redewendungen übersetzt einfließen lässt und man sich gar nicht wundert, so etwas noch nie gelesen zu haben. Zungen beispielsweise soll man nicht herumtoben lassen wie wilde Stuten und die Bergbewohner verfluchen gerne mit: "Die Nixe soll dich zerfetzen." So beschert Anila Wilms nicht nur ein großes Lesevergnügen sondern auch einen Aha-Effekt durch neue sprachliche Wendungen.
Info Öffentliche Lesungen aller Autoren des Projekts "Deutsch geht gut" sind am Mittwoch, 5. Februar, 20 Uhr, in der Otto-Rombach-Bücherei, und am Donnerstag, 6. Februar, 18 Uhr, in der Realschule Bissingen.
Quelle: http://www.swp.de/bietigheim/lokales/bietigheim_bissingen/art1188806,2415300