Deutsch geht gut - Das Literaturprojekt in Bietigheim Bissingen

"Deutsch geht gut" beginnt: Schreibt und lest, so viel ihr könnt

Mit den Lesungen vor insgesamt 800 Schülern in fünf Schulen von Bietigheim-Bissingen begann am Mittwoch das Projekt "Deutsch geht gut". Veranstaltet wird es von den Freundeskreisen der Sandschule und den Realschulen Bissingen und im Aurain in Kooperation mit der BZ.

GABRIELE SZCZEGULSKI | 06.02.2014 

Der slowakische Autor Michal Hvorecky brachte den Grundgedanken von "Deutsch geht gut" vor der Klasse 10 a der Realschule im Aurain auf den Punkt: "Wenn ihr in der Sprache des Landes, in dem ihr lebt, schreiben könnt, euch ausdrücken könnt, dann könnt ihr mitreden und sagen, was ihr wollt. Schreibt, so viel ihr könnt. Schreiben ist lebensnotwendig."

Hvorecky ist einer von fünf Autoren nichtdeutscher Herkunft, die das Bietigheim-Bissinger Literaturprojekt derzeit in die Schulen bringen. Indem er, Olga Martynova (Russland), Fadi Saad (Türkei), Anila Wilms (Albanien) und Nevfel Cumart (Palästina) vor insgesamt 800 Schülern in fünf Schulen lesen, demonstrieren sie, wie wichtig es ist - und wie machbar - , dass man sich auch in einer Sprache, die nicht die Muttersprache ist, ausdrücken kann.

Michal Hvorecky hat unter den Autoren eine Ausnahmestellung: Denn während die anderen Schriftsteller ihr Land verließen, aus politischen oder anderen Gründen, um in Deutschland eine neue Heimat zu finden, lebt der 38-Jährige bis heute in seiner Geburtsstadt Bratislava. Aber: Er spricht fließend Deutsch, auch wenn die beiden von ihm in Deutschland erschienenen Bücher sein Freund Michael Stavaric übersetzte. Stavaric war auch schon in Bietigheim als Botschafter für das Projekt "Deutsch geht gut". Hvorecky kann so gut Deutsch, weil seine Mutter aus einer der deutschstämmigen Familien in der Slowakei kommt, die auch nach dem Zweiten Weltkrieg in ihrer Heimat blieben. "Mein Großvater hieß Stefan Kirchmeier und sprach im Zipser Dialekt", erklärt Hvorecky der Klasse, die gut zur Hälfte aus Schülern mit Migrationshintergrund besteht. "Fragt mich alles, was ihr wollt, ihr habt doch sicher selten einen lebendigen Schriftsteller in der Klasse", fordert er die Schüler auf. "War es schwer für Sie, Deutsch zu lernen?", wird er gefragt. Ein klares Nein folgt. "Ich habe zwölf Jahre Deutsch gelernt, weil ich die Sprache meiner Mutter lernen wollte. Deutsch ist schon schwer, aber schön", sagt der Schriftsteller.

Mittlerweile übersetzt der Slowake deutsche Bücher in seine Heimatsprache, wie Werke von Robert Walser oder den Bestseller "Er ist wieder da" von Timur Vernes. Michal Hvorecky weiß genau, worum es in "Deutsch geht gut" geht, und so liest er weniger aus seinen auf Deutsch erschienenen Büchern "City" und "Tod auf der Donau", sondern erzählt mehr von sich und seinem Verhältnis zur Sprache. Er habe gemerkt, dass er das umgangssprachliche Deutsch besser lernt, wenn er deutsche Literatur liest, deswegen sei er Dauergast in der deutschen Bibliothek des Goethe-Instituts in Bratislava gewesen. "Lest ihr Bücher?", fragt er die Schüler. Nur fünf melden sich. "Das ist mehr als in eurer Parallelklasse, da haben sich nur zwei gemeldet", sagt er. Als er aber betont, dass auch Comics oder Manga für ihn als Literatur gelten, strecken noch ein paar Jungs. "Schreibt und lest so viel ihr könnt", ruft er die Schüler auf und erklärt ihnen, dass auch SMS und Mails dazugehören, und er schlägt ihnen vor, in Blogs zu schreiben.

Er selbst, so erzählt er, würde vieles in seinem Leben mit Schreiben verarbeiten. So in "Tod auf der Donau". Hvorecky arbeitete für zwei Jahre auf einem amerikanischen Kreuzfahrtschiff auf der Donau. "Entweder ich werde wahnsinnig oder ich schreibe ein Buch über meine Erfahrungen", so hätte er sich gedacht und es gemacht. Und wieder weist er die Schüler darauf hin, dass Lesen bildet: "Kennt ihr "Tod auf dem Nil"? Nein? Das ist ein Fehler, das müsst ihr lesen". Sein Buch wäre ein realistischer Erfahrungsbericht mit Anspielungen auf Agatha Christies Krimi. Auch die Bücher von Charles Dickens empfiehlt er den Schülern, weil "man darin sieht, wie es einem richtig schlecht gehen kann, da führen wir ein Luxusleben", sagt er. Ausbeutung sei aber keine Sache, die mit dem 19. Jahrhundert zu Ende ging, "die gibts auch heute noch, zum Beispiel auf diesen Kreuzfahrtschiffen", sagt Hvorecky. Mit dem, was er sagt, kommt der Autor den Schülern ziemlich nahe, er ist kein ferner Planet, sondern einer wie sie, mit Problemen, Ängsten und Sorgen. Und einer, der durch Schreiben und Lesen immer wieder Auswege aus verfahrenen Situationen findet.

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