Deutsch geht gut - Das Literaturprojekt in Bietigheim Bissingen

"Deutsch geht gut": Fadi Saad war einst Mitglied in einer Gang

Eine Lesung der anderen Art wird es während des Projekts "Deutsch geht gut" sicher mit Fadi Saad geben. Seine Bücher sind keine Romane, sondern Dokumentationen von Jugendbanden, Kriminalität und Gewalt.

GABRIELE SZCZEGULSKI | 04.02.2014

In Berlin-Neukölln sind Jugendgewalt, Drogenmissbrauch und Kriminalität alltäglich. Brutale Fakten, die Karlheinz Gaertner, Polizeihauptkommissar, und Fadi Saad, Quartiersmanager und ehemaliges Gang-Mitglied, nicht einfach hinnehmen wollten. Gemeinsam versuchten sie mit präventiven Maßnahmen und erfolgreichen Projekten dieser dramatischen Situation zu trotzen. Ihre Erlebnisse, Erfahrungen und Forderungen schildern sie in dem Buch "Kampfzone Straße".

Das ist eines der Bücher, aus denen Fadi Saad, dessen Lesungen immer engagierte Auftritte und Konfrontationen sind - vor allem, wenn Jugendliche dabei sind - , erzählen wird. Das andere ist "Der große Bruder von Neukölln - Ich war einer von ihnen - vom Gang-Mitglied zum Streetworker". Darin erzählt der in Berlin geborene und aufgewachsene Sohn einer palästinensischen Familie von seiner Jugendgang, dem sozialen Abstieg und der konsequenten Lebensänderung. Saad sowie Polizist Gaertner treten für eine Vernetzung von sozialen Einrichtungen, Behörden, Schulen und Polizei ein. Sie fordern, Jugendliche und Eltern stärker einzubeziehen. Und beide sind überzeugt, dass die Basis für Gewaltprävention gegenseitiges Verstehen, Empathie und Respekt ist - gerade dort, wo unterschiedliche sozialen Schichten, Kulturen und Religionen aufeinandertreffen. Die persönliche Geschichte von Fadi Saad und Karlheinz Gaertner spiegelt genau das wider: Hier der Berliner palästinensischer Herkunft. Dort der Berliner Polizist, der Gegner schlechthin. Doch aus der Konfrontation wird die gemeinsame Suche nach Lösungen, aus unversöhnlichen Gegnern werden Freunde, die gemeinsam gegen Jugendgewalt eintreten.

Fadi Saad ist dabei vor allem für ausländische Jugendliche ein Vorbild, deswegen ist sein Buch "Der große Bruder von Neukölln" in vielen Schule auch Pflichtlektüre. Mit seiner Gang "Araber Boys 21" zog er durch Berlin, klaute, verprügelte, bezog Dresche und ging in den Jugendknast. Heute bewahrt er als Kiez-Manager im Auftrag des Berliner Senats Jugendliche vor dem Absturz und begleitet Angela Merkel zum Staatsempfang, um dort über Chancengleichheit und Integration zu referieren. Das eindrückliche Selbstzeugnis des Fadi Saad zeigt, wie es gelungen ist, mit eisernem Willen dem Teufelskreis aus Hoffnungslosigkeit, Gewalt und sozialem Abstieg zu entkommen. Immer, wenn der Berliner in einer Schule ist, nimmt er sich Zeit, redet in Einzelgesprächen mit den Jugendlichen, gibt Fallbeispiele und geht auf die Sorgen und Nöte ein. Deshalb ist die Wahl von Fadi Saad als einer der Autoren für das Literaturprojekt eine gute. Denn "Deutsch geht gut" richtet sich ja durch seine Konzeption - Autoren nichtdeutscher Herkunft lesen - an die Schüler, die ebenfalls zum Großteil einen Migrationshintergrund haben.

Info Die öffentlichen Lesungen mit den Autoren von "Deutsch geht gut" finden am Mittwoch, 5. Februar, 20 Uhr, in der Otto-Rombach-Bücherei, und am Donnerstag, 6. Februar, 18 Uhr, in der Realschule Bissingen, statt.

Fadi Saad, "Der große Bruder von Neukölln", Herder-Verlag, 8,99 Euro. Fadi Saad und Karlheinz Gaertner, "Kampfzone Straße", Herder-Verlag, 14,99 Euro.

http://www.swp.de/bietigheim/lokales/bietigheim_bissingen/art1188806,2432738