Deutsch geht gut - Das Literaturprojekt in Bietigheim Bissingen

Ein toter Fährmann
und die Eierbox

Sasa Stanisic liest in der Bücherstube

Im Rahmen des Projekts „Deutsch geht gut“ las der gerade mit dem Alfred-Döblin - Preis geehrte Schriftsteller Sasa Stanisic in der Bietigheimer Bücherstube aus seinem noch unveröffentlichten
neuen Roman, bevor er dann die Schülerlesung zum Abschluss des Projektes eröffnete (wir berichteten).
BETTINA NOWAKOWSKI


Bietigheim-Bissingen. Die bildhafte, lautmalerische Sprache zieht sofort in seinen Bann: „Duft von
Dung“, „Schwimmreifen-Gruß“, eine Begegnung mit Stefan Effenberg im Flughafen-Terminal: Sasa
Stanisic konnte sein Publikum in der Bietigheimer Bücherstube vom ersten Moment an mit seinem leidenschaftlichen Erzählstil fesseln. Im Rahmen von „Deutsch geht gut“ ist Sasa Stanisic einer der Autoren,
die an dem Projekt teilnehmen. Schon im Januar war er in Bietigheim und von dem Projekt begeistert.
„Es ist toll, wie die Schüler aus dem Nichts heraus eine Geschichte schaffen“, meint Stanisic. „Da
nehme ich auch Ideen für mich und meinen neuen Roman mit.“ Für diesen gerade im Entstehen begriffenen Roman mit dem vorläufigen Arbeitstitel „Anna“ wurde er Anfang Mai mit dem von Günter Grass und der Berliner Akademie der Künste gestifteten und mit 10 000 Euro dotierten Alfred-Döblin-Preis ausgezeichnet.
Der neue Roman basiert auf Motiven aus der Mythenwelt und Einträgen in Kirchenchroniken. Das fiktive Dorf Fürstenfelde in der Uckermark ist der Schauplatz für Geschichten aus dem Leben der Dorfbewohner, ihren Legenden und auch ihrer Vergangenheitsbewältigung mit der Geschichte der ehemaligen DDR.
Ausgehend von dem Mythenmotiv der drei Glocken im See, das sich – so Stanisic – auch in verschiedenen
osteuropäischen Kulturen wiederfindet, werden innerhalb von 24 Stunden verschiedene Bewohner
des Dorfes von einem mythischen Virus befallen, der sie dazu bringt, sich an Begebenheiten in ihrem Leben
zu erinnern. Verschiedene, fiktive Charaktere, die aber dennoch einen realen Hintergrund haben: Ein
Fährmann, der im See ertrinkt, ein Mann mit „Haltung und Haltungsschaden“, der über seine militärische
Zeit in der ehemaligen DDR nachdenkt, zwei Cottbusser, die nur in Reimen sprechen und die Hauptperson
Anna, die mit Asthmaanfällen kämpft. Das alles in einer sowohl poetischen als auch lakonisch-klaren
Sprache, die neben all den tragischen Momenten auch den Humor nicht zu kurz kommen lässt. Für
Sasa Stanisic ist die Arbeit an seinem aktuellen Roman ein ständiger Prozess, in dem er sich auch mit seinen Zuhörern austauscht. Die Auszeichnung mit dem Alfred-Döblin-Preis gebe ihm Bestätigung, weiterzumachen.
„Die Zweifel sind kleiner geworden und diese Auszeichnung macht mir Mut und gibt mir die richtige Motivation zum Schreiben“, so Stanisic. Der neue Roman soll im kommenden Frühjahr bei Luchterhand
Sasa Stanisic.

http://www.swp.de/bietigheim/lokales/bietigheim_bissingen/art1188806,2009630