Deutsch geht gut - Das Literaturprojekt in Bietigheim Bissingen

Wie Jugendliche ticken, sprechen, leben
Abschlussveranstaltung von „Deutsch geht gut“ – Schüler lesen Texte – Autor hält Laudatio

Schüler an die Mikros: Am Mittwoch ist die elfte Auflage des Literaturprojekts „Deutsch geht
gut“ zu Ende gegangen. Teenager aus fünf Bietigheimer Schulen lasen ihre selbst geschriebenen
Texte vor.
DOMINIQUE LEIBBRAND


Bietigheim-Bissingen. Eigentlich wollte Sarah noch lesen üben. „So ganz hat das aber nicht hingehauen“,
sagt sie und grinst. In den vergangenenWochen hat die 15-Jährige den Anfang eines Fantasyromans
geschrieben. Gleich soll sie den Text vor versammelter Mannschaft vortragen. Sie gibt zu: „Ich
bin ein bisschen aufgeregt.“ Sarah ist eine von rund 50 Schülern, die an der elften Auflage des Literaturprojekts „Deutsch geht gut“ teilgenommen haben. Jugendliche von zusammen fünf Bietigheimer
Haupt- und Realschulen haben dabei zehn Wochen lang unterstützt von Schreibcoaches Geschichten
verfasst. Am Mittwoch fand die Abschlussveranstaltung mit einer Lesung in der Sandschule statt.
Liebe, Tod, Freunde, Schule, Ferien – in den Texten der Heranwachsenden stecken allerhand Themen.
Manche erzählen selbst Erlebtes, andere haben ihrer Fantasie freien Lauf gelassen. Da gibt es die 14-jährige Anahita von der Waldschule, die mit funkelnden Augen und dramatischer Stimme ihr Krimistück
„Mord am Abschlussball“ wiedergibt. Oder den Rap-Fan Christian, der den schlauen Satz „Sei du selbst, dann wollen andere sein wie du“ parat hat. Oder die Neuntklässlerin Anna, die sich Kurt-Cobain-Texte zu eigen gemacht hat und später, nachdem sie fertig ist, vor Freude die Arme in die Luft reißt. Eine bunte Mischung an Menschen und Geschichten, die es auch Saša Stanišic angetan hat. Der Autor ist einer der Schriftsteller, die zum Auftakt von „Deutsch geht gut“ aus ihren Werken gelesen haben. Ein kleines Highlight für die Veranstalter des Literaturprojekts (die Freundeskreise der Sandschule sowie der Realschulen im Aurain und Bissingen): Am Mittwoch ist Stanišic auf eigenen Wunsch dabei, hält eine leidenschaftliche
Laudatio. Anfang der 90er-Jahre war der heute 35-Jährige wegen des Bosnien-Krieges mit seiner Familie nachDeutschland geflohen. An seinen ersten in der fremden Sprache verfassten Text erinnert er sich gut. SeinDeutsch sei damals schlecht gewesen, aber halb so wild: „Literatur sind Grammatik und Rechtschreibung egal. Was zählt, ist das, was du zu sagen hast.“ In den Geschichten der Schüler
hat der frischgebackene Döblin-Preisträger schon vorab geschmökert, hat erfahren, wie die Jugendlichen
ticken, wie sie sprechen, wie sie leben. Er hat dabei zum Beispiel gelernt, „dass dasWort krass immer
noch aktuell ist“, wasHeimat bedeutet oder dass man auch einen Hund lieben kann, den sonst kaum einer
mag. „Schreiben ist die schönste Kommunikation zwischen zwei Menschen, die sich noch gar nicht
kennen“, stellt Stanišic fest. Ein positives Fazit, das die Organisatoren des Projekts nur unterstreichen
können.
Ulrike Diesse, die Vorsitzende des Freundeskreises der Sandschule, hat beobachtet, dass die  Jugendlichen – 80 Prozent haben einen Migrationshintergrund – über die Schreibworkshops einen guten
Zugang zu Sprache erhalten. „Sie werden selbstbewusster, lernen, sich zu präsentieren.“ Auch die 15-jährige Sarah macht ihre Sache an diesem Nachmittag gut. Die Handykamera der Mama ist gezückt, mit fester Stimme trägt die Schülerin ihren Text vor. Wo es mit ihren Figuren hingeht? Das wisse sie noch nicht, hat Sarah vor der Lesung verraten. Doch sie will dran bleiben. „Nächstes Jahr bin ich wieder dabei.“

http://www.swp.de/bietigheim/lokales/bietigheim_bissingen/art1188806,2007700