Susanne Yvette Walter | 15.02.2017
Ein aus unserer Warte abenteuerliches Leben liegt hinter Najem Wali, der aus dem Irak stammt und der heute als Autor und Völkerbotschafter in Deutschland unterwegs ist – so wie an diesem Mittwoch und Donnerstag bei Lesungen im Rahmen des Projekts „Deutsch geht gut“. Dabei will er auch offen über den Islam und all seine Schattierungen und Schattenseiten sprechen und die islamische Welt ins Visier nehmen.
Wali studierte deutsche Literatur an der Universität Bagdad. Dem Militärdienst sprang er von der Schippe, indem er desertierte und nach Deutschland flüchtete. Statt im Irak-Iran-Krieg unterzugehen, studierte Najem Wali Germanistik in Hamburg und schloss erfolgreich ab. In Madrid setzte er sein Studium in spanischer Literatur fort – und brauchte danach viel Geduld. Ganze acht Jahre dauert es, bis sich ein Verlag findet, der Walis deutliche Worte zum Thema Beschneidung in einem seiner Romane abdruckt. Er gilt als einer der ersten, der diesen Eingriff öffentlich als Folter bezeichnet hat.
Najem Wali, Träger des Bruno-Kreisky-Preises für das politische Buch, sieht sich als Anwalt für das Wachstum der intellektuellen Kultur im Irak und für ein freies Denken in der islamischen Welt. Diskriminierung jeder Art sagt er den Kampf an. Seine Rhetorikseminare werden besonders von Frauen besucht. Die Frauen seien daran mehr als die Männer beteiligt, stellt der Autor fest, der – neben seiner Arbeit als Korrespondent für die arabische Tageszeitung Al Hayat und als Journalist für deutsche Publikationen wie die Süddeutsche Zeitung und Die Zeit – Workshops für kreatives Schreiben anbietet. Wali führt zudem Neugierige in die Kunst des Reportageschreibens ein, macht seine Schüler mit dem Essay-Schreiben vertraut. Dabei staunt er oft nicht schlecht, welche Themen die Teilnehmerinnen vorschlagen – etwa Tabuthemen in der arabischen Welt wie Homosexualität.
Auch in Bietigheim will er im Rahmen von „Deutsch geht gut“ gerade mit Schülern auf Tuchfühlung gehen. Ziel ist es, mit ihnen die brisanten Fragen der Spannung zwischen europäischer und arabischer Welt erörtern.
Änderung bei „Deutsch geht gut“
Die Bietigheim-Bissinger Jugendbuchautorin Nina Blazon kann krankheitsbedingt nicht an „Deutsch geht gut“ teilnehmen, teilt der Organisator Roland Bender mit. Für sie springt Karin Bruder ein, die schon 2016 dabei war. Sie wurde von der BZ bereits im vergangenen Jahr vorgestellt. Mit zehn Jahren kam die heute 66-Jährige aus Siebenbürgen nach Deutschland und musste erst noch Deutsch lernen, denn aufgewachsen war sie mit Rumänisch. In ihren Büchern geht es oft um das Aufeinandertreffen der Kulturen, aber auch von arm und reich, wie etwa in dem 2015 veröffentlichten Kinderroman „Haifische kommen nicht an Land“.
Das Schreib- und Literaturprojekt „Deutsch geht gut“ feiert in diesem Jahr sein 15-jähriges Bestehen. Idee des Freundeskreises der Sandschule war es, Schülern die deutsche Sprache durch Literatur näherzubringen. Finanziert wird das Projekt von Fördergeldern, Sponsoren, Stiftungen und Zuschüssen, sowie Kooperationen, beispielsweise mit der Bietigheimer Zeitung. Das von den vier veranstaltenden Freundeskreisen der Schule im Sand, der Realschule im Aurain, der Waldschule Bissingen und der Gustav-Schönleber-Schule getragene Projekt beginnt auch in diesem Jahr wieder mit den Lesungen von fünf prominenten Autoren, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.
Termin in diesem Jahr ist der Zeitraum vom 15. bis 17. Februar. Der tschechische Autor und Musiker Jaroslav Rudiš, der polnischstämmige Artur Becker, die türkische Lyrikerin Zehra Çirak und Najem Wali sowie Karin Bruder besuchen dabei morgens knapp 30 Schulklassen. Zudem gibt es zwei Lesungen, eine an diesem Mittwoch um 20 Uhr in der Otto-Rombach-Bücherei, die zweite am 16. Februar um 18 Uhr in der Aula der Aurain-Realschule. Der Eintritt ist frei. jsw