Es ist schon eine feste Institution in Bietigheim-Bissingen: Das Projekt "Deutsch geht gut" der Arbeitsgemeinschaft "Autorenbegegnung und Schülerworkshops" in Zusammenarbeit mit der BZ startet in dieser Woche.
GABRIELE SZCZEGULSKI | 05.02.2015
Wenn Schüler schon mal mit einem Schriftsteller sprechen können, wie bei den Schullesungen von "Deutsch geht gut", sind es vier Fragen, die sie immer stellen. So kamen auch am Mittwoch bei den Lesungen der Autoren Selim Özdogan, Ortwin Ramadan, Matthias Nawrat, Tanya Malyartschuk und Fouad El-Auwad diese Fragen: Warum schreiben Sie? Wann haben Sie angefangen zu schreiben? Kann man davon leben? Wer ist ihr Lieblingsautor? Die Gelegenheit, direkt mit einem Schriftsteller zu sprechen, kommt bei den Schülern gut an. Die Lesungen in der Schule im Sand, Schule im Sand - Außenstelle Buch - und Waldschule, Realschule Bissingen und Realschule im Aurain vor an die 800 Schülern sind alljährlich der Auftakt von "Deutsch geht gut".
Die Fragen sind gleich und auch die Antworten ähneln sich. Obwohl Selim Özdogan in der Sandschule las und Tanya Malyartschuk in der Waldschule, antworteten beide gleich: "Ich schreibe, weil ich mir nichts anderes vorstellen kann. Ich habe mit sechs Jahren angefangen zu schreiben", sagten beide. Selim Özdogan war von Anfang an freier Schriftsteller. Die Ukrainerin Tanya Malyartschuk wurde Fernsehjournalistin, "weil ich vom Schreiben zuerst nicht leben konnte".
In der Sandschule las Selim Özdogan Kurzgeschichten aus seinem Buch "Der Klang der Blicke". Er las die Geschichte von Anna und Philipp, die sich verlieben. Als er das Buch weglegt, ist es in der Klasse mucksmäuschenstill. Was in Özdogans Stil so leicht und poetisch dargeboten wurde, hinterließ großen Eindruck bei den Jugendlichen. Schnell erkannten die Schüler, dass sowohl Annas als auch Philipps Mutter ein Alkoholproblem haben. Als Philipp Anna die alte Lokomotive zeigt, zu der er flüchtet, wenn ihm die Situation zu Hause über den Kopf wächst, ist dies ein großer Vertrauensbeweis. Aber dann erzählt Anna ihrer Mutter von dem Versteck und missbraucht so Philipps Vertrauen. Aus Wut bricht er seinem Hamster das Genick. Der erste Satz der Geschichte, "Damals habe ich meinen Hamster getötet", so Selim Özdogan, sei der erste gewesen, den er im Kopf gehabt hätte, dann sei die Geschichte entstanden.
Tanya Malyartschuk kommt in der zehnten Klasse von Silja Hummel in der Waldschule gar nicht zum Vorlesen aus ihrem Buch "Biografie eines zufälligen Wunders", in dem, wie in allen ihren sechs Büchern, das Leben in der Ukraine, "das ein sehr schweres ist", erzählt wird. Schnell wird sie von Albion, Mohammed, Peris, Salva und deren Mitschülern mit Fragen bombardiert. Zuerst geht es um Politik, um den Krieg in der Ukraine. "Das ist ein wildes Territorium", sagt die Westukrainerin, die ihr Heimatland der Liebe wegen verließ und nun in Wien lebt.
Sie erklärt die Situation in der Ostukraine und die jahrzehntelange Depression durch Russland. Sie sagt, dass die Revolution auf dem Majdan in Kiew notwendig war, denn die Ukrainer hätten genug gelitten.100 Menschen, so sagt sie, seien ermordet worden. Doch dann bricht sie ab: "Ich glaube, ich möchte nicht mehr über diesen schlimmen Krieg sprechen, als Ukrainerin leide ich bei jedem Wort." Dann sprechen Schüler und Schriftstellerin über Literatur. "Franz Kafka müsst ihr lesen, mit diesen traurigen Texten habe ich meine Prüfungsangst verdrängt", erzählt sie und spornt die Schüler immer wieder zum Lesen an. Albion erzählt, dass er entdeckt habe, dass ein Buch im Bus zu lesen, viel cooler sei als mit dem Handy zu spielen. "Lesen ist schon cool, das macht mehr Eindruck" sagt er.