Deutsch geht gut - Das Literaturprojekt in Bietigheim Bissingen

Die Hoffnung auf ein Wunder stirbt nie

Tanja Maljartschuk ist Ukrainerin. Das macht ihre Bücher so aktuell, angesichts der russischen Invasion in ihrem Heimatland, die sie verabscheut. Die Schriftstellerin liest im Rahmen von "Deutsch geht gut" aus ihren Werken.


GABRIELE SZCZEGULSKI | 24.01.2015

"Bitte, Russland, rette uns nicht", schrieb Tanja Maljartschuk in einem Artikel über die russische Invasion in der Ukraine. Mit einem ironisch-bitteren Tonfall nahm sie darin die Russen aufs Korn.

In den Büchern der 1983 geborenen Schriftstellerin, die 2011 ihr Heimatland verließ und nach Wien zog, ist der Tonfall über ihre "verlorene Heimat" nicht ganz so direkt, aber latent vorhanden. Tanja Maljatschuk schreibt in "Biografie eines zufälligen Wunders" über das starke Mädchen Lena. Sie wächst im ukrainischen San Francisco (gemeint ist Iwano-Frankiwsk) auf. Lenas Leben ist von Willkür und Gewalt geprägt. Doch das Mädchen setzt sich zur Wehr - mit Witz, Eigensinn und einer gehörigen Portion Mut. Und sie versucht zu helfen: der Erzieherin im Kindergarten, den herrenlosen Hunden, die an chinesische Restaurants verkauft werden sollen, der Diskuswerferin Wassylyna und ihrer Freundin "Hund", der beide Beine abgefroren sind. Auf ihrer Suche nach dem "zufälligen Wunder" - einer fliegenden Frau, die immer dort auftauchen soll, wo Hilfe am nötigsten ist - gelingt es Lena, sich trotz aller Widrigkeiten zu behaupten.

Tanja Maljartschuk ist ein Werk von grausamer Komik gelungen, ein Buch, das man nicht vergisst. Mit sarkastischem Humor, der dem Leser ein Lächeln abringt, das aber sofort auf den Lippen gefriert, beschreibt sie den ukrainischen Aufbruch in die marktwirtschaftliche Demokratie nach Jahrzehnten der Versunkenheit im Kommunismus und der Abhängigkeit von Russland. Der Roman rührt an und zeigt gleichzeitig, wie schwer das Leben in dem gebeutelten Land ist und wie schwer dieser Umstand es seinen Bewohnern macht, es zu lieben. Vor allem aber wurden die Menschen in der Ukraine völlig unvorbereitet in ein neues System katapultiert, sodass ihr Scheitern vorprogrammiert ist. Das alles spürt auch die kleine Lena. Schon ihr russischer Name stößt in der heutigen Ukraine auf massiven Widerspruch. Bereits im Kindergarten will man ihr die "ukrainische" Variante ihres Vornamens, Olenka, aufzwingen, da die Ukraine doch eine eigene Nation mit einer eigenen Geschichte sei. Lena aber beharrt auf ihrer Identität. Und sie hilft sogar einer ihrer Erzieherinnen, die aus Russland stammt und russisch spricht, was ihr aberzogen werden soll. Lenas Freundin "Hund" hingegen kämpft nicht, sie resigniert und flüchtet in eine Ehe, in der ihre Unterdrückung vom Ehemann aus dem Glauben an Gott rechtfertigt wird.

Doch Lena gibt allen Widrigkeiten zum Trotz nicht auf. Also beginnt sie, sich zu engagieren. Ihre erste Kampagne gilt den streunenden Hunden. Zu ihrer eigenen Überraschung wird ihre Aktion breit aufgegriffen, und die Dinge scheinen sich zu bessern. Als sie dann aber auch für ihre Freundin "Hund" einen Rollstuhl einfordert, scheitert sie. Lena aber gibt nicht auf. Sie klammert sich an die Hoffnung, dass Wunder geschehen können. "Biografie eines zufälligen Wunders" ist ein trauriges Buch, das aber Hoffnung macht.

Info Tanja Maljartschuk, "Biografie eines zufälligen Wunders", Residenz-Verlag Wien, 21,90 Euro. Lesungen mit den Autoren von "Deutsch geht gut" finden statt am Mittwoch, 4. Februar, 20 Uhr, in der Otto-Rombach-Bücherei, und am Donnerstag, 5. Februar, 18 Uhr, in der Realschule im Aurain.

http://www.swp.de/bietigheim/lokales/bietigheim_bissingen/Die-Hoffnung-auf-ein-Wunder-stirbt-nie;art1188806,3010197