Teilnehmer der Schreibwerkstatt an der Realschule Bissingen
mit Dozent Olaf Nägele
Anna Kersten
Ellen Fähnrich
Emely Rochus
Filomena Caliendo
Mario Rank
Maximilian Rupp
Shai Korver
Der unheimliche Nachbar
Vor ein paar Tagen zog ich mit meinen Eltern in eine düstere Straße außerhalb Frankfurts. Die Gegend ist sehr kalt. Meine Nachbarn sind unheimlich. Sie grüßen niemanden und haben immer sehr dunkle Klamotten an. Am unheimlichsten finde ich den Nachbarn, der in einem sehr großen, schwarz angestrichenen Haus wohnt. Es sieht runtergekommen aus, und die Rollläden sind immer unten, so dass kein Licht in das Haus eindringen kann. Die Bewohner sehe ich selten. Sie verlassen ihr Haus nicht. Eines Abends wurde ich jedoch von einem lauten Rascheln geweckt. Ich schaute durch mein Fenster in den Garten der Nachbarn. Ich sah einen Mann, der sehr schlank, fast ausgehungert aussah und Löcher in den Hintergarten grub. Er hatte eine sehr blasse Haut. Ich beobachtete ihn eine Weile und ging wieder ins Bett.
Am nächsten Morgen fragte ich meine Mutter, warum unser Nachbar um Mitternacht Löcher in seinen Garten gräbt. Darauf sagte sie: „ 1. Emma, warum bist du noch so spät wach? 2. Ich weiß es nicht. Wir haben eh so komische Nachbarn und in die Privatsphäre solltest du dich auch nicht einmischen.“
Ich erzählte ihr, dass ich von dem Lärm geweckt worden war, deswegen nachschaute, was da draußen los war, ich aber deswegen die Privatsphäre nicht gestört habe. Am Schluss behauptete meine Mutter nur noch, dass ich mit meinen 14 Jahren nicht mehr so neugierig sein und mich auf meine Dinge konzentrieren sollte. Zum Beispiel auf die Schule.
Als ich am nächsten Tag nach der Schule wieder nach Hause kam, schaute ich von meinem Fenster wieder in den Garten. Ich wunderte mich. Es gab keine Anzeichen davon, dass Löcher gegraben worden waren. Das Gras saß perfekt auf der Erde und es waren keine kleine Hügelchen, wie sonst, wenn man riesige Löcher in die Erde gräbt. Ich war völlig verwirrt, als mich meine Mutter zum Mittagessen rief.
Als ich in meinem Bett lag und meine Mutter rein kam, stellte ich mich schlafend, denn ich wollte in dieser Nacht wieder den Nachbarn beobachten. Als es dann endlich Mitternacht war, konnte ich meine Augen nur mühsam aufhalten. Ich nahm einen Stuhl, setzte mich ans Fenster und wartete. Nach ungefähr einer halben Stunde hörte ich ein lautes tiefes Summen, das aus dem Inneren des Hauses kam. Es hörte sich komisch an, wie eine Beschwörung einer Sekte, so wie wir es im Unterricht gehört hatten. Mehr geschah nicht.
Eine halbe Stunde später, ich wollte mich gerade ins Bett legen, sah ich zwei Männer, die mit je einer Schaufel in den Garten liefen. Sie gruben tiefe Löcher. Als sie fertig waren, verschwanden sie wieder im Haus. Zwanzig Minuten später kamen sie wieder mit zwei großen blauen Müllsäcken, die sie hinter sich herzogen. Die warfen sie dann in die tiefen Löcher. Als das getan war, nahmen sie die Schaufeln und füllten die Löcher, bis es wieder so aussah, als hätte niemand gegraben.
Am Schluss schüttete einer Pulver über die Erde, so dass innerhalb von ein paar Sekunden wieder Gras auf der gegrabenen Fläche war. Als sie wieder rein gingen und nicht mehr kamen, ging ich schlafen.
Am nächsten Tag war Samstag. Ich backte einen Kuchen und ging zu den unheimlichen Nachbarn. Als ich in dem Garten stand, wurde es ganz plötzlich richtig kühl und ein Wind kam auf. Ich ging weiter zur Haustür. Sie war riesig und mit eigenartigen Schriftzeichen geschmückt. Ich klingelte! Nach ein paar Minuten machte immer noch niemand auf. Weil ich so neugierig war, ging ich vorsichtig und leise in den Garten und betastete die Wiese. Man sah keinen Unterschied, es sah aus wie echt. Ich bemerkte, wie sich hinter mir ein Schatten bildete, ich erschrak, drehte mich schnell um und schaute in ein gespensterblasses Gesicht mit großen, schwarzen Augenringen. Der Mann packte mich am Arm und fragte mich, was ich kleine Göre auf seinem Grundstück zu suchen hatte. Ich schaute ihn mit ängstlichen großen Augen an. Mein ganzer Körper zitterte, ich bekam kein Wort heraus. Er schüttelte mich solange bis ich redete. Mit stotternder Stimme sagte ich leise, dass ich ihm einen Kuchen gebacken habe, damit wir uns besser kennen lernen konnten.
Er schaute mich fragend an. „Ich brauche keine Nachbarn oder einen Kuchen. Ich will meine Ruhe und nicht irgendein kleines Mädchen in meinem Garten“, schnauzte er mich an. Ich riss mich los und sagte, dass ich beobachtet hatte, dass er große Müllsäcke in seinem Garten vergrub und auch, dass ich das laute Summen gehört hatte. Er schaute mich sprachlos an, nahm mich am Arm und schmiss mich über seine Schulter. Ich schrie so laut ich konnte und schlug um mich. Er nahm mich mit in sein Haus. Viele Treppen lief er nach unten. Ich hörte auf zu schreien, weil ich wusste, dass mich eh niemand hören konnte. Plötzlich standen wir vor einer großen Eisentür. Er öffnete sie mit dem Wort „ Sumischa“. Als wir den Raum betraten, standen überall leuchtende Kerzen und riesige Fackeln, die den Raum heller und unheimlicher machten. Wir liefen weiter durch viele Räume, die zudem mit Totenköpfen und gruseligen Bildern beschmückt waren. Wir bogen um die Ecke, direkt in einen langen Gang. Am Ende des Ganges sah ich ein kleines Licht aufschimmern. Mit jedem Schritt wurde das Licht heller. Wir betraten den erleuchteten Raum. Auf dem Boden lagen Matratzen und es waren viele Fackeln angezündet. In der Ecke war ein riesiges viereckiges Teil, das von einem riesigen Tuch umhüllt war. Aus dem Inneren waren Geräusche zu hören, Geschrei und Jammern, das nur von Menschen stammen konnte.
Der unheimliche Mann setzte mich auf einen Stuhl und fesselte mich. Ich fing an zu schreien. Er ging zu dem viereckigen Teil und zog die Bedeckung weg. Es war ein Käfig, in dem 10 Leute standen. Er schnallte mich ab und schmiss mich zu ihnen in den Käfig. Sie starrten mich alle an. Mein böser Nachbar verschwand wieder. Ich fragte, was hier abginge. Niemand antwortete mir. Ich fragte erneut. Schüchtern drängte sich eine junge Dame zu mir vor und antwortete mit zierlicher Stimme, dass wir Gefangene einer Sekte waren, die ihrem Gott immer ein Opfer bringen müssen. „Jede Nacht bringen sie einen um, trinken das Blut, den Rest vergraben sie“, sagte sie.
Einige Gefangene waren selber mal in der Sekte gewesen, aber wollten aussteigen. Deshalb waren sie eingesperrt, damit nichts an die Außenwelt dringen konnte. Ich schwieg ich und dachte nach. Die meisten fingen wieder an zu weinen oder zu schreien.
Nach wenigen Stunden kam der Nachbar zurück. Er zündete erneut viele Kerzen an und setzte sich auf eine Matte. Plötzlich hörten wir Stimmen, viele Stimmen. Sie wurden immer lauter und kamen näher. Alle gingen ganz schnell vom Gitter weg. Zwanzig Leute betraten den Raum. Sie setzten sich leise auf die Matte und fingen an zu beten. Danach schauten alle uns an und mein Nachbar verkündete, dass sie ein neues Opfer hätten, mit dem sie ihren Gott zufrieden stellen wollten. Er stand von der Matte auf und öffnete den Käfig. Er griff nach einer Frau und zog sie aus dem Käfig. Sie setzten sie auf den Stuhl und fesselten sie. Sie fing an zu schreien, zu weinen und schlug um sich. Ich schaute weg. Ich hörte nur noch einen Schrei und dann gar nichts mehr. Ich schaute mich nicht um, ich blickte zu Boden. Mein Körper war erstarrt.
Die Menschen fingen an zu singen. Mir flossen die Tränen über meine Wangen und ich schlief ein. Am nächsten Morgen wollte ich nicht meine Augen öffnen. Ich dachte, es wäre ein Traum und es ist alles wieder gut. Aber als ich dann die Augen öffnete, merkte ich, dass es nicht so war. Ich lag auf diesem feuchten Käfigboden und mein Magen knurrte. Alle schauten mich an. Ich stand auf und bewegte meine Beine ein bisschen hin und her. Alles war still.
Plötzlich klingelte es an der Haustür. Wir schreckten alle auf und ein alter Mann sagte: „Jetzt müssen wir alle so laut schreien, wie es nur geht.“ Wir schrien alle, schlimm hörte sich das an. Uns ging allen nacheinander die Puste aus. Als wir Stimmen hörten, fingen wir wieder an zu schreien. Ich hörte die Stimmen meiner Mutter und meines Vater. Ich rief so laut ich konnte. Die Stimmen kamen immer näher, bis ich sie dann in den Raum laufen sah. Neben ihnen mein Nachbar und zwei Polizisten, die ihn gleich verhafteten. Wir wurden alle frei gelassen und die Sekte ins Gefängnis gesteckt. Daraus hatte ich gelernt, nie mehr so neugierig zu sein und auf meine Eltern zu hören.
Lost – Verloren im Nichts
Ich merke, wie ein frischer Luftzug durch mein Zimmer weht. Meine Mutter hat mal wieder früh am Morgen, so wie sie es immer macht, das Fenster aufgemacht. Ich hasse das. „Mann, Mama! Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du dieses Scheiß- Fenster nicht aufmachen sollst?“, brülle ich aus meinem Zimmer.
„Nicht in diesem Ton, Cara! Und außerdem tut frische Luft am Morgen gut.“
„ Mir nicht“, nuschele ich.
„Was hast du gesagt?“
„Nichts.“
Wie mich diese morgendlichen Diskussionen nerven. Locker binde ich mir meine Haare zu einem Dutt zurück. Nachdem ich die tägliche Badezimmerroutine beendet habe, ziehe ich mich an. Wie eigentlich immer im Sommer, eine kurze Hose und ein Tanktop. Ich gehe in die Küche, meine Mutter gibt mir mein Vesper und ich verlasse das Haus. Shit, ich habe etwas vergessen. Ich klingele nochmal und meine Mutter macht mir auf. „Tschüss Mama.“, sage ich und gebe ihr einen Kuss auf die Wange.
An der Bushaltestelle kommt mir irgendetwas komisch vor. Ich fühle mich beobachtet. In dem Moment, als ich mich umdrehen will, packt mich jemand von hinten und hält mir etwas vor die Nase. Danach wird alles um mich schwarz.
Um mich herum riecht es komisch. So steril. Wie in einem Arztzimmer. Als ich die Augen öffne, sehe ich, dass alles um mich herum weiß ist. Ich schaue an mir herunter. Meine Kleidung ist zerrissen und mein Haar zerzaust. Was zum Teufel haben diese Leute mit mir gemacht? Meine langen Beine sind mit blauen Flecken überdeckt. Vor mir ist ein Tisch, auf dem ein schwarzes Buch liegt. Mein Kopf pocht. Genauso wie an dem Abend, als ich hackedicht von der Disco nach Hause gekommen bin. Etwas wackelig auf den Beinen gehe ich auf das Buch zu. Auf dem Einband ist kein Titel zu sehen. Deshalb schlage ich es auf. „Lost – Verloren im Nichts.“ Schon die Überschrift macht mir Angst. Eine Seite weiter lässt mir der erste Satz des Buches das Blut in den Adern gefrieren: Mein Name ist Cara. Cara Miller. Das bin ich!!! Ich lasse das Buch fallen. „Was soll die Scheiße!! Was habt ihr mit mir gemacht, ihr Schweine?!“
Keine Antwort. Mir wird klar, dass rumbrüllen nichts bringt.
Am nächsten Morgen steht ein Teller mit Obst und Cornflakes auf dem Tisch, auf welchem ich gestern das Buch gefunden hatte. „Ihr denkt jetzt nicht wirklich, dass ich unter diesen Umständen was esse, oder?!“
„Iss etwas“, brummt eine verzerrte Stimme aus einem Lautsprecher, den ich nicht sehe. Die Stimme macht mir Angst. Eigentlich kenne ich solche Stimmen nur aus CSI wenn jemand entfü – Nein, bitte nicht! Das darf nicht wahr sein! Ganz langsam kullert eine warme, salzige Träne meine Wange hinunter. Es werden immer mehr Tränen.
Warum? Warum muss so etwas mir passieren?
„ Was wollt ihr von mir?“, schluchze ich.
„Du sollst etwas essen, habe ich gesagt!“
Zitternd stehe ich auf und nehme mir einen Apfel. Er ist rot und sieht frisch aus. Ich beiße hinein. Süß schmeckt er. Ich nehme mir noch die Banane und die Birne aus der Schale, setze mich wieder auf den Boden und esse weiter. Fast wäre ich mit dem Müsli fertig gewesen, wenn da nicht dieser Junge in den Raum gekommen wäre. Braunes Haar, müde Augen und ängstlicher Eindruck. Stumm wie ein Fisch kommt er, nimmt die leere Obstschale und den Müsliteller und will gerade raus gehen, als ich ihn am Arm packe und festhalte.
„Was, verdammt noch mal, ist hier los!“, flüstere ich.
Die Tür geht nochmal auf und ein älterer Mann kommt herein. Er hat raspelkurzes, braunes Haar. Er kommt auf mich zu, zerrt den Jungen aus meinem Griff und schlägt mir mit der Faust ins Gesicht. Benommen taumele ich zurück und lande auf dem Boden. Ich höre nur noch, wie die schwere Türe zuknallt. Danach wird wieder alles schwarz.
Als ich aufwache, liegt wieder Obst und Müsli auf dem Tisch. Daneben das Buch. Ich schnappe mir dieses Mal eine Banane und setzte mich mit dem Buch wieder auf den weiß gefliesten Boden. Mein Kopf schmerzt noch schlimmer als gestern! Nach dem ersten Kapitel merke ich, wie das Blut aus meinem Gesicht weicht. Dort steht alles. Wo ich zur Welt gekommen bin, ein Bild meiner Taufe, mein erster Geburtstag,.. . Wieder kommt der Junge herein und bringt mir ein Glas Wasser und eine Tablette. Er reicht mir einen kleinen Handspiegel. Ich habe ein blaues Auge.
„War ja auch nicht anders zu erwarten, nach der Aktion von gestern.“, sage ich extra laut, denn inzwischen weiß ich, dass alles, was ich hier tue und sage, beobachtet wird. Ein kleines, schüchternes Lächeln zeigt sich auf seinen Lippen. Gequält versuche ich zurück zu lächeln.
„James!“, brummt die verzerrte Stimme wieder. „Komm jetzt!“
„Jaja“, sagte er mit einer netten Stimme. Er sieht mich noch einmal an, lächelt noch kurz und geht wieder hinaus. Irgendwie süß, dieser „James“. Aber was hat er mit dem anderen Mann zu tun?
Ich weiß nicht, wie lange ich jetzt schon hier in diesem weißen Raum bin. Langsam werde ich aggressiv. Ich vermisse meine Eltern!! Verdammt! Als ich am Morgen aufwache, steht die Türe, durch die die Männer gekommen waren, auf. Na klar wundert mich das, aber noch mehr beschäftigt mich das Buch, in dem ich gestern gelesen habe. „Meine Mutter sagte einmal: Wenn dir das Leben Steine in den Weg legt, lass sie nicht liegen, sondern baue dir eine Brücke, über die du zu deinem Ziel läufst.“
Ich kann mich nicht mehr an diesen Satz erinnern. Wieder fange ich an zu weinen. Ich lege das Buch zur Seite. Mit wackeligen Beinen stehe ich auf und gehe zur Türe. Langsam setze ich einen Fuß vor den anderen. Es ist ein komisches Haus. Alles riecht genauso wie in dem Zimmer. Es ist so, als wäre ich in einer Arztpraxis. Wo zum Teufel bin ich?? Ich gehe einen langen Gang entlang. Ich sehe eine offen stehende Türe. Langsam gehe ich hinein. Ich sehe James und den älteren Mann. Ich befinde mich in einem Raum mit ziemlich vielen Monitoren. Ich hatte Recht. Man hatte mich die ganze Zeit über gefilmt.
Ich niese. Beide drehen sich ruckartig um. "Wie bist du hier rein gekommen?!"
„Ähm.. Die Tür stand offen."
"Verschwinde!", meint der ältere Mann.
„Nein!!", schreie ich plötzlich so laut, dass ich mich selbst erschrecke. „Was soll die ganze Scheiße hier eigentlich? Wieso bin ich hier? Ich bin hier im Nichts! Ich hab keine Orientierung verdammt!"
„John, ich...", meine James.
"Halt deine Schnauze James!", sagt er und schlägt James ins Gesicht. Er sieht John an und geht aus dem Zimmer hinaus. Im vorbei gehen, drückt er mir einen Zettel in die Hand. Nur flüchtig kann ich ihn lesen.
„MACH DASS DU HIER WEG KOMMST!", steht in Großbuchstaben auf dem Schnipsel. Langsam gerate ich in Panik!
„John, oder wie auch immer du heißt. Was zur Hölle willst du von mir?"
Der Bildschirmschoner seines PCs geht an. Auf dem Bild ist eine Familie zu sehen. Eine Frau, ein Mann und ein kleines Baby. Die Eltern sehen ziemlich jung aus. So ca. 17 oder 18 Jahre alt. Die Frau, oder besser gesagt, das Mädchen hat einen schönen Rock an. Moment mal! Das ist der Lieblingsrock meiner Mutter!! Das Blut gefriert mir in den Adern.
"Und?", raunt er, „Erkennst du sie wieder? Deine ach so tollen Eltern?"
„Was hast du mit meinen Eltern zu tun?!", frage ich bedrohlich.
„Deine Eltern, sind verdammt noch mal, auch meine Eltern!"
So langsam begreife ich. „Also bist du das auf dem Bild?"
„Ja!! Deine Mutter hat mich zur Welt gebracht und mich zur Adoption freigegeben. Und jetzt bist du da. Vielleicht halten sie dich ja für etwas besseres. Pfff."
„Warum tust du mir und meiner Familie das an? Wieso entführst du mich!? Wieso tust du mir und meinen, nein, UNSEREN Eltern das an?!"
„Ich will, dass sie wissen, wie es ist, das Wichtigste in seinem Leben zu verlieren. Ich will, dass sie wissen, dass es nicht einfach ist, zu vergessen, was geschehen ist!" „Und deswegen quälst du uns? Du bist doch krank!! Mein eigener Bruder entführt mich!! Aber soll ich dir etwas sagen? Du wirst nie im Leben mein Bruder sein!!"
Ich merke, wie mein Auge anfängt wehzutun. Entschlossen gehe ich aus dem Raum und knalle die Türe zu. Als ich keine Schritte in dem Raum höre, aus dem ich gerade gekommen bin, lausche ich an der Türe. Er weint.
Ich laufe, so leise es geht, den Gang hinunter. Plötzlich packt mich jemand am Arm. „James!“
„Ich wollte das alles nicht!“
„Was, wolltest du nicht James?!“
„Ich wolle John nicht helfen! Aber er hat mich erpresst! Ich habe beim ihm Schulden. Er dealt illegal mit Drogen. Ich wollte bisschen etwas von dem Zeug, konnte es aber nicht bezahlen. Deshalb hat er mich erpresst! Entweder du hilfst mir bei dieser Aktion, oder ich mach´ dich kalt, hat er gesagt. Cara, mir ist nichts anderes übrig geblieben! Ich hatte höllische Angst!“
„Ich muss hier raus.“, sage ich mit Tränen in den Augen.
„Komm, ich bring dich raus.“
Langsam öffnet er eine schwere Türe. Vorsichtig setze ich einen Fuß vor den anderen. Die Sonnenstrahlen und der Wind spielen mit meinem Haar. Ich atme frische Luft ein. Ich drehe mich zu James um. Ist es komisch, wenn ich ihn jetzt umarme? Ja, vielleicht ein wenig. Aber immerhin bin ich dank ihm noch am Leben! Ich umarme ihn. Und es ist ein gutes Gefühl. Gefühlte 10 Minuten bleiben wir in dieser Position. Dann löse ich mich aus seinen Armen und renne. So schnell ich kann, renne ich. An einer Straße angekommen, halte ich ein Auto an. Eine ältere Frau sitzt darin. Sie lächelt mich an. „Bitte fahren sie mich so schnell es geht nach Nashville“, schluchze ich vor Verzweiflung und gleichzeitig auch vor Freude!
Zuhause angekommen, stehen zwei Polizeiautos vor unserem Haus. Ich stolpere über die Treppen unseres Hauses, direkt in den Vorraum. Dort stehen sie. Meine geliebten Eltern. Ich kann nicht anders. Schon wieder breche ich zusammen.
Vier Wochen später:
Als ich an dem Tag nach Hause kam, fuhren meine Eltern mich ins Krankenhaus. Außer ein paar Prellungen war alles okay. John und James wurden festgenommen. John bekam lebenslänglich und James zwei Jahre auf Bewährung. Ich muss noch heute in eine Selbsthilfegruppe, um dieses Erlebnis zu verarbeiten. Dennoch weiß ich, dass meine Eltern nie aufgehört hätten, nach mir zu suchen.
Ende
Wenn Liebe einfach wäre - Filomena Caliendo
Mein Handy brummte. Es war eine SMS von Luca, meinem Ex Freund.
Hey, können wir uns treffen?
Schon wieder. Vor meinem miesen Urlaub in Lloret de Mar hatte ich ihm doch klipp und klar gesagt, dass ich nichts mehr von ihm wissen will. Ich schrieb nicht zurück. Warum auch? Ich vergaß, dass meine Mutter auch bei mir war. Sie bemerkte, dass ich verärgert war. „Was ist los?“, fragte sie mich.
„Nichts, war nur Luca. Ich geh dann mal nach oben, in mein Zimmer!“, sagte ich und erhob mich vom Esszimmertisch. Ich dachte die ganze Zeit an meinen Freund Pietro, der ein paar Minuten zuvor nach Amerika abgeflogen war, um ein sechsmonatiges Praktikum zu machen. Sollte ich Luca doch zurück schreiben? Es würde mich bestimmt ein bisschen ablenken. Ich überlegte lange. Doch dann holte ich mein Handy aus meiner Hosentasche und schrieb ihm zurück.
Was willst du?
Kurz danach kam eine SMS von ihm.
Es tut mir so verdammt weh, dich verloren zu haben. Es ist mir sehr peinlich, dich verletzt zu haben. Ich war ein Idiot.
Ach, und das soll ich dir glauben? Du hast mich betrogen, ich verzeih dir und du betrügst mich wieder. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben!
Sami, bitte, ich war ein Idiot. Man merkt erst, wie sehr man eine Person liebt, wenn man sie verliert. Können wir uns kurz treffen?
Luca, NEIN. Ich habe einen Freund und ich will von dir nichts mehr wissen!
Jetzt, komm bitte. Es heißt ja nicht, dass wir wieder zusammen sein müssen. Ich will dich nur sehen! Bitte!!!
Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn treffen sollte. Er hatte mir zwar gesagt dass es nicht heißt, dass ich mit ihm wieder zusammen sein sollte, aber…Pietro. Ich überlegte gefühlte 10 Stunden. Dabei starrte ich die ganze Zeit auf diese SMS. Dann beschloss ich, ihn anzurufen. Mit zittriger Hand tippte ich die Nummer in mein weißes HTC one. Gleich nach dem ersten Klingeln ging er ran.
„Sami?“ Er klang sehr erleichtert.
„Luca, ich hab dir gesagt, dass ich nichts mehr von dir wissen will. Du bist ein Arschloch!“
Ich versuchte, eiskalt zu klingen.
„Sami, Mann, ich kann dich nicht vergessen. Mein Herz will nur dich. Und ich akzeptiere es auch, dass du einen Freund hast. Aber bitte, bitte, lass uns treffen!“
Er klang anders als sonst. Nicht mehr so machohaft, eher verletzlich.
„Luca, okay, von mir aus. Aber wehe, du versuchst irgendwas zu machen.“
Ich vertraute ihm nicht wirklich.
„Boah, klasse, geil, versprochen. Sehen wir uns gleich beim Starbucks?“
Er war überglücklich. Ich erkannte ihn nicht mehr. Hatte er sich wirklich geändert?
„Ja, okay, können wir machen. Bis gleich!“
Ich wusste nicht, ob es ein Fehler war, aber ich musste ihm jetzt erst mal vertrauen. Ich lief zum Starbucks und wartete bis Luca kam. Ich hätte ihn fast nicht erkannt, wenn er nicht auf mich zugegangen wäre. Er war nicht mehr so gangstermäßig angezogen. Er hatte eine normale schwarze Hose an und ein sauberes weißes Hemd. Er sah sehr unsicher aus. „Hey.“ sagte er vorsichtig.
„Hi.“ sagte ich kühl. Ich wollte keine Gefühle zeigen. Wir standen eine Weile reglos da, bis er dann die Stille durchbrach. „Komm setzen wir uns hin.“
Er zeigte auf einem freien Platz. „Hey, ich hol uns was zu trinken. Wie immer?“
„Ja!“ Er kannte mich sehr gut. Wir waren auch fast drei Jahre zusammen gewesen. Es dauerte sehr lange, bis er wieder kam, denn es gab (wie immer) eine lange Schlange. Doch dann kam er endlich mit 2 Eis Cafés. Oh ja, das tat gut bei dieser Hitze.
„Danke!“ sagte ich, immer noch ohne irgendeinen Funken von Gefühlen.
„Und, wo hast du deinen Freund kennengelernt?“ Er sagte es mit Vorsicht und versuchte dabei meinen Blick einzufangen.
„In Lloret de Mar.“ sagte ich, aber erwiderte seinen Blick nicht.
„Und wie seid ihr zusammen gekommen?“
OMG musste er es jetzt fragen? Ich wollte eigentlich nicht an meinen Freund denken. „Ja, wir haben uns halt mehrmals getroffen und so ergab es sich dann.“
Wir hatten uns nicht freiwillig getroffen, aber das verschwieg ich ihm, sonst würde er noch mehr wissen wollen und darauf hatte ich wirklich keinen Bock. Ich glaube, er hörte auch an meinem Ton, dass mir das unangenehm war, mit meinen Ex über meinen Freund zu reden. Also wechselte er das Thema. „Hey, es tut mir verdammt Leid, dass ich dir wehgetan habe. Ich war scheiße zu dir und zu denen, die mich lieben.“
Er machte eine kurze Pause und nahm meine Hand. Jetzt sah ich ihm in die Augen. Ich erkannte ihn nicht mehr. Seine Augen zeigten Schmerz und Unsicherheit.
„Luca..“ Ich wollte mehr sagen, doch aus mir kam nichts mehr raus. Er setzte sich auf meine Seite und fasste mir vorsichtig an die Hüften. „Hey, bitte gib mir nur eine Chance!“ Es sah so aus, als würde er gleich weinen.
„Luca, nein, ich kann nicht. Ich hab einen Freund.“
Ich versuchte, ihn nicht zu verletzen.
„Scheiß auf den. Es gibt nur uns zwei: Nur wir gehören zusammen! Bitte, ich würde alles für dich tun. Ich bin nicht mehr der Alte, gib dem neuen Luca… gib mir eine Chance, bitte.“ Er sah mir tief in die Augen.
OMG sah der gut aus. Er sah früher auch gut aus, aber jetzt sah er noch viel besser aus. Ich war ganz in meinen Gedanken versunken. Plötzlich packte er mich, zog mich an sich und küsste mich. Ich genoss es. Ohne an irgendwas zu denken gab ich mich ihm hin. Er führte mich zu seinem Auto. Als er sich in den Fahrersitz fallen ließ, sah er sehr glücklich aus. Er fuhr sehr schnell nach Hause. Als wir vor seiner Haustür waren, küsste er mich noch mal, dann gingen wir rein. Er legte mich langsam auf sein Bett und zog mir die Klamotten aus. Doch als es so weit sein sollte, dachte ich wieder an Pietro. Erst jetzt bemerkte ich, was ich hier tat. Ich stand auf.
„Hey, was ist?“ Er fragte sehr lieb, doch ich konnte nicht mehr: Ich konnte Pietro nicht betrügen. Ich zog so schnell ich konnte meine Klamotten wieder an und rannte raus.
„Wo willst du hin?“ fragte mich Luca fassungslos.
„Luca, ich kann es einfach nicht machen. Sorry!“ Ohne nachzudenken rannte ich los. Ganz aufgelöst kam ich zu Hause an. Es war niemand da. Ich warf mich auf mein Bett und weinte erst mal eine ganze Weile. Irgendwann sah ich auf mein Handy. Oh nein, bitte nicht. Ich hatte einen verpassten Anruf von Lisa, meiner „Ex“ Freundin. Ja, ich hatte mal eine Freundin, aber nur kurz, weil ich mir bei dieser ganzen Lesben Sache nicht sicher war. Ich entschied mich, sie nicht anzurufen. Ich hatte ja schon genug Probleme. Ich schlief ein bisschen. Okay, man konnte es nicht schlafen nennen. Ich musste die ganze Zeit an Luca und Pietro und Lisa denken, wie es weiter gehen sollte. JA, vor dem Urlaub vor paar Wochen wollte ich einen Jungen kennenlernen, um Luca zu vergessen, aber ich wollte garantiert nicht so ein Chaos. Dann riss mich der Song Born this way von Lady Gaga, den ich für Lisas anrufe eingestellt habe, aus den Gedanken.
„Hallo?“ Ich klang sehr müde.
„Hey, wie geht’s dir?“ Lisa klang sehr besorgt.
„Eigentlich ganz gut, und dir?“ Ich wusste genau, dass ich mich ganz und gar nicht gut an hörte.
„Geht, irgendwie vermiss ich dich total.“
„Ja…Lisa…Grad ist es nicht so einfach…“ Ich wurde sehr unsicher, denn ich wollte sie nicht wieder verletzen, aber im Moment konnte ich nicht anders.
„Ja, du musst doch spüren, ob du jemanden liebst oder nicht!“ Sie klang wütend.
„Es wäre schön, wenn Liebe so einfach wäre. Aber Liebe ist nicht einfach. Ich melde mich wieder, wenn ich bereit bin. Okay?“
„Okay!“ Lisa legte auf. Sie hörte sich wirklich enttäuscht an. Aber jetzt, in diesem Moment, ging es einfach nicht anders. Ich musste auch Luca sagen, dass wir nicht zusammen sein konnten. Ich rief ihn an. Boah, es ist so schwierig, einem Menschen, der dich liebt, zu sagen, dass du nichts von ihm willst.
Ich erschrak kurz, als die Stimme von Luca erklang.
„Hey, geht’s dir gut?“ fragte er besorgt.
„Luca wir können nicht zusammen sein!“ Ich beantwortete seine Frage nicht, weil ich es schnell machen wollte.
„Sami, ich liebe dich, dass kannst du doch nicht machen!“
„Luca, nein. Ich habe einen Freund. Ich will dich nicht, ich will Pietro. Es war ein Fehler, dich zu treffen!“
„Nein, ich habe es doch gespürt, wie du es genossen hast. Bitte macht das Richtige. Lass dein Herz entscheiden und nicht deinen Kopf.“
„Luca, mein Herz hat sich für Pietro entschieden. Es tut mir leid!“ Ich legte auf. Ich wollte nicht mehr, ich konnte nicht mehr. Ich wollte unbedingt JETZT mit Pietro Kontakt aufnehmen, aber leider waren im Flugzeug elektronische Geräte nicht gestattet.
Ich war sehr müde und schlief dann irgendwann mal ein.
Zum Mittagessen wurde ich von meiner Mutter geweckt. Es gab Nudeln mit Tomatensoße, die bei unserer italienischen Familie jeden Sonntag auf dem Tisch stehen. „Du siehst fertig aus!“ sagte meine Mutter besorgt.
„Ja, dass bin ich auch!“
Nach dem Essen ging ich wieder in meinen Zimmer, an den PC. Ich ging auf Facebook und zum Glück war Emma, meine beste Freundin, online, mit der ich über alles reden konnte. Ich schrieb ihr, dass ich ein Problem habe, und sie wollte sich so schnell wie möglich mit mir treffen. Also schrieb ich ihr, ob sie nicht zu mir kommen will. Und dann kam sie auch. Ich war überglücklich sie zu sehen.
„Hey, was ist?“ Sie sah mir tief in die Augen.
„Ich erzähl dir die Kurzform: Pietro und ich sind wieder zusammen, dann sagte er mir dass er für 6 Monate nach Amerika gehen muss, dann schreibt mir Luca, mit dem ich mich gestern getroffen habe. Ich habe gestern Pietro mit Luca betrogen und dann wollte Lisa wieder mit mir zusammen kommen!“ Wahrscheinlich sprach ich sehr schnell und undeutlich, aber es war mir einfach zu peinlich.
„Sami, spinnst du? Was hast du mir denn versprochen im Urlaub? Dass du Pietro nicht mehr verletzt!“ Sie war wirklich entsetzt.
„Ja, ich weiß auch, dass es ein riesengroßer Fehler war. Ich hab einfach in diesen Moment nicht nachgedacht! Was mach ich jetzt?“ Ich redete mehr mit mir selbst als mit Emma, deswegen war ich auch überrascht über ihre Antwort.
„Du musst es Pietro sagen!“
„Neeein, was soll ich dem sagen? Ja, ich hab dich betrogen. Spinnst du?“
„Sami, glaub mir. DU hast diesen Fehler gemacht und DU musst es jetzt auch ausbaden. Früher oder später wird es sowieso rauskommen und dann hast du die Arschkarte gezogen. Du musst es ihm sagen!“
„Toll, du sagst es so, als wäre es voll einfach!“ Ich steckte tief in der Scheiße, aber sie hatte recht. Ich musste es ihm sagen. Besser er erfuhr es von mir, als von jemand anderem.
„Komm, du kriegst das hin. Ich bin immer für dich da.“ In diesen Moment war ich so glücklich, dass Emma da war.
„Wie kommst du eigentlich darauf, Pietro mit Luca zu betrügen? Luca ist ein Arschloch, das hast du selber gemerkt!“
„Ja…keine Ahnung…der ist voll anders geworden. Er wollte sich mit mir treffen, also hab ich ihn getroffen und ich kann dir sagen, wenn du den gesehen hättest, du hättest ihn nicht erkannt. Und auch wie er geredet hat, nicht mehr so machohaft. Er ist einfach ein besserer Mensch geworden!“
Emma war völlig überrascht. „Okaay? Aber trotzdem kannst du Pietro nicht mit deinen Ex Freund betrügen!“
„Ja ich weiß…“ Wir redeten noch eine Weile, bis sie gehen musste.
„Erzähl mir wie Pietro darauf reagiert hat.“
„Ja mach ich!“ Wir umarmten uns rasch, und dann ging sie auch schon. Als ich wieder zurück in meinem Zimmer war und an den PC gegangen bin, sah ich einen verpassten Anruf auf Skype. Es war Pietro. Ich rief ihn schnell zurück.
„Hey!“ sagte er mit einem breiten Lächeln in seinem Gesicht.
„Hi, wie war der Flug?“ fragte ich.
„Ich habe ihn gut überstanden. Wie geht’s dir?“
„Gut, und dir?“
„Hört sich aber nicht gut an. Was ist?“ Aus seinem Lächeln wurde ein besorgter Gesichtsausdruck.
„Nichts, bin müde.“ Ich konnte es ihm einfach nicht sagen. Nicht jetzt.
„Oh, wie viel Uhr ist es denn bei euch?“
„Achte.“
„Also, du kannst noch nicht müde sein. Im Urlaub waren wir bis früh am Morgen feiern. Komm, bitte, wenn es dir schlecht geht, geht es mit auch schlecht.“
„Pietro, es ist nicht so einfach, wie du denkst!“
„Egal, ich helfe dir!“
Ich musste es ihm sagen. „Ich hab dich betrogen!“
„Mit wem?“ Seine Stimme klang nicht mehr vertraut sondern kühl.
„Mit meinem Ex.“ Ich sprach sehr leise und ohne auf den Bildschirm zu sehen.
„Wie kannst du nur!“ Er schrie nicht oder so. Aber er war sehr traurig und enttäuscht. Mir kamen die Tränen und ich konnte nicht mehr Reden. Mir fehlten die Worte, um es ihm irgendwie zu erklären.
„Auch wenn ich am anderen Ende der Welt bin, bin ich immer noch dein Freund. Doch für dich war ich wohl nur einer von vielen!“
Ich konnte nichts mehr sagen, er unterbrach die Verbindung. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört.
Grenzgebiet
Plötzlich schreit jemand neben mir: „Verdammt, wir werden alle noch sinnlos draufgehen!“ Überall um mich herum Schüsse, Explosionen, Blut und Leichen. Er ist grausam, der Krieg, ich halte es nicht mehr aus!
Vor zehn Jahren, da war ich noch ein kleiner, unbeschwerter und fröhlicher Junge mit kurzen braunen Haaren und tiefblauen Augen. Damals lebten meine Familie und ich in einer kleinen Arbeitersiedlung in einem Vorort von Köln. Meine Mutter Elsa und mein Vater Leonard kannten sich bereits schon zehn Jahre, als sie beschlossen, eine Familie zu gründen. Sie überlegten sich sehr lange, ob sie wirklich ein Kind in die Welt setzen sollten. Unser Geld reichte hinten und vorne nicht, da nur meine Mutter als Haushälterin arbeitete und mein Vater arbeitslos war. Oft waren wir auf die Hilfe von Nachbarn und Freunden angewiesen.
März 1904
Es ist ein schöner und sehr warmer Morgen im Frühling. Wie jeden Morgen geht meine Mutter pünktlich um 8 Uhr in eine reiche Gegend in Köln, um ihrer täglichen Arbeit nachzugehen. Ich wusste schon, was ich nach der Schule machen würde, denn ich habe einen guten Freund, der für mich wie ein Bruder ist. Er heißt James. Er hat einen Charakter wie kein anderer, er ist nett, liebenswert und immer für einen da, wenn man ihn braucht. Fröhlich gehen wir gemeinsam auf den nahegelegenen Sportplatz. Na ja, als einen Sportplatz kann man es nicht gerade bezeichnen. Es ist eher eine große, mit Gras bewachsene Fläche, mit jeweils einem Tor auf jeder Seite. Aber zum Fußballspielen reicht es vollkommen aus.
Oft treffen wir dort auch andere Kinder in unserem Alter. Hier beim Kicken vergessen wir alle unsere täglichen Sorgen. Ich liebe es, Fußball zu spielen. Mein Wunsch ist es, einmal ein großer und bekannter Fußballstar zu werden.
Die Sonne ist gerade dabei unterzugehen, als es Zeit wird, nachhause zum Essen zu gehen. Als ich zur Wohnungstüre hereinkomme, riecht es nach frischer und leckerer Gemüsesuppe mit Würstchen, meinem Leibgericht. Für uns alle ist es ein ganz besonderes Essen, da wir es uns nicht oft leisten können. „Und, wie war dein Tag, Mama? “ frage ich meine Mutter neugierig.
„Es ist jeden Tag dasselbe,“ antwortet sie müde und reicht mir einen vollen Teller mit der herrlich duftenden Gemüsebrühe. „Jeden Morgen früh aufstehen, den weiten Weg zur Arbeit laufen, putzen, kochen, waschen und am späten Nachmittag erschöpft nachhause kommen.“ Sie lächelt zufrieden und ergänzt: „Nun, iss deinen Teller schnell auf, bevor die Suppe kalt wird. Papa hat auch noch eine tolle Neuigkeit für uns!“
„Los Papa, erzähl schon. Was ist passiert?“ Ich bin total gespannt, und kann es kaum erwarten, bis er endlich loslegt.
„Heute ist ein Glückstag für mich, wie man so schön sagt. Ich habe endlich eine Anstellung als Fabrikarbeiter bekommen, nächste Woche fange ich an.“ Er erzählt uns diese Neuigkeit mit einem breiten Grinsen im Gesicht, das bis zu den Ohren reicht. „Jetzt brauchen wir uns um die täglichen drei Mahlzeiten keine Sorge mehr machen!“
Ich freue mich riesig für meinen Papa und kurz darauf falle ich todmüde ins Bett. Heute war wirklich in jeder Hinsicht ein besonderer Tag. Aber Morgen wird für mich noch ein viel wichtigerer Tag sein, mein 9. Geburtstag.
Liebevoll weckt mich meine Mutter früh am Morgen und gratuliert mir als Erste. Meine Eltern haben sich den ganzen Tag extra für mich freigenommen und ein großes Fest vorbereitet. Das ist heute das größte Geschenk für mich. Alle meine Freunde und Nachbarn sind eingeladen und ich werde mit kleinen Geschenken überhäuft. Selbstverständlich darf auch James nicht fehlen. Mit einem Lächeln im Gesicht drückt er mich ganz fest und gratuliert mir. Der Tag geht viel zu schnell zu Ende, aber es ist mit Sicherheit einer meiner schönsten Tage im Leben.
Am nächsten Morgen erwache ich im Bett an schrecklichen Geräuschen: Zwei laute, ohrenbetäubende Schüsse und einem Schrei, der nichts Gutes zu bedeuten hatte: „Ahhhhhhh!“. Dann ist plötzlich Totenstille. Bevor ich begreife, was geschehen ist, springe ich aus meinem Bett und renne zur Haustüre hinaus. Die Schüsse kamen aus der Richtung von James Haus. So schnell ich kann renne ich zu James und mir bleibt der Atem stehen, als ich das Unvorstellbare sehe. Tränen rollen über meine Wangen. James liegt gekrümmt auf dem Boden mit zwei Löchern in der Brust. Der Boden färbt sich langsam rot. Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schießt ist: „Warum er?“
Langsam bildet sich ein Halbkreis um die Leiche von James. Viele Menschen stehen mit offenem Mund da und starren ihn an, andere weinen bitterlich um ihn. Keiner kann es fassen, was geschehen ist. Nach kurzer Zeit kommen meine Eltern dazu und nehmen mich tröstend in den Arm. Ich habe meinen besten Freund verloren. Irgendwann kann ich James nicht mehr so am Boden liegen sehen. Ich ertrage es einfach nicht mehr und laufe, so schnell ich kann, in mein Zimmer zurück. An einen Ort, an dem mich keiner weinen sieht und schreien hört.
Es ist bereits dunkel, als ich mich aus meinem Zimmer traue. Am Abendbrot sieht mich mein Vater traurig an und fragt vorsichtig: „Und, wie fühlst Du Dich, mein Sohn?" „Beschissen", antworte ich. „Mama, bitte sei mir nicht böse, aber ich kriege heute Abend keinen Bissen runter!“, und nehme sie liebevoll in die Arme.
Verständnisvoll schaut sie mich an, auch wenn sie mein Lieblingsessen, Gemüsebrühe mit Würstchen, extra für mich gekocht hat. Darauf gehe ich wortlos in mein Zimmer, setze mich vor mein Bett und fange an zu beten: "Lieber Gott, warum musste es ausgerechnet meinen besten Freund treffen, warum? Antworte!" schrie ich.
Die ganze Nacht liege ich wach in meinem Bett und kann kein Auge zu machen. Der nächste Tag ist sehr beschwerlich für mich. In meinem Kopf kreisen nur noch diese Bilder, die Leiche von James, und das viele Blut. Das Leben ist grausam, aber was für mich noch viel schlimmer ist, der Mord wird nie aufgeklärt werden!
28. Juli 1914
Das Leben schleicht an mir vorbei. Ich habe den Tod von James immer noch nicht überwunden. Ich bekomme in meinem Leben nichts mehr auf die Reihe. Ich habe keinen Schulabschluss und keine Ausbildung. Ich bin wie erstarrt. Heute nimmt mich meine Mutter mit zu ihrer Arbeit in die Stadt, wenigstens kann ich sie dort ein wenig unterstützen.
Sehr viele Leute stehen am Straßenrand und schauen gespannt auf die leergefegte Hauptstraße. Erstaunt bleiben wir ebenfalls stehen und warten neugierig. Auf einmal tauchen an dem einen Ende der Straße ungefähr hundert Männer mit Gewehren und weißen Rosen in den Händen auf. Sie marschieren mit hoch erhobenen Köpfen an uns vorbei. Vorsichtig fragt meine Mutter einen Zuschauer neben sich, was das zu bedeuten hat.
„Er hat begonnen!", antwortet der Mann mit tiefer Stimme. Meine Mutter kann es nicht fassen und starrt ins Leere.
„Mama, Mama, was hat begonnen?" frage ich vollkommen unwissend. Sie packt mich an der Hand und zerrt mich hinter sich her.
Zuhause angekommen, schaut sie mich mit großen angsterfüllten Augen an und flüstert mir zu: „Der Krieg hat begonnen!"
Kurze Zeit darauf kommt mein Vater total außer sich nachhause und ist genauso am Boden zerstört wie wir. Meine Mutter bittet mich, schlafen zu gehen, da sie und mein Vater noch etwas zu bereden haben. Ich befolge die Bitte meiner Mutter, lasse aber trotzdem meine Tür einen Spalt geöffnet. Ich höre die Stimmen meiner Eltern und bekomme ein paar Worte mit.
„Du weißt, Leonard, was das für uns bedeutet, wenn der Krieg jetzt ausbricht?" fragt meine Mutter mit zitternder Stimme.
„Das weiß ich, mein Schatz, aber das werden wir schon überstehen, versprochen.“
Irgendwie bin ich jetzt etwas beruhigter, aber ganz wohl ist es mir immer noch nicht. Ich schlafe sofort ein und träume lauter wilde Sachen. Von grinsenden Soldaten, die mit weißen Rosen schießen und James, der auf der Straße mitmarschiert und mir fröhlich zuwinkt.
Am kommenden Morgen werde ich durch die laute kräftige Stimme meines Vaters geweckt. „Schnell Junge, steh auf! Sie sind da, um uns beide mitzunehmen!“
Müde stolpere ich aus meinem Bett, ziehe mich schnell an und wanke meinem Vater hinterher. Plötzlich stürmen drei bewaffnete Soldaten auf uns zu, prügeln auf meinen Vater ein, packen und stecken uns in einen kleinen, fensterlosen Transporter. Bevor ich klare Gedanken fassen kann, fährt der Transporter los. Gott sei Dank war meine Mutter bereits schon bei der Arbeit. Was geht hier vor? Wohin fahren wir? Das sind alles Fragen, die ich mir nicht selber beantworten kann. Mein Vater sitzt zusammengekauert und stöhnend neben mir. Blut tropft ihm von der Stirn. Er flüstert mir leise etwas zu, ich kann es aber nicht verstehen. Ich habe Angst! Seine Verletzung am Kopf scheint schlimmer zu sein als ich dachte. Wir sind hier nicht alleine. Es sind mindestens noch ein Dutzend andere Männer, die mit uns verschleppt werden. Was wollen die Soldaten von uns?
Nach einer sehr langen Fahrt stoppt der Transporter, die Türen werden aufgerissen und alle werden aus dem Transporter gezerrt. Wortlos gehorchen alle, bis auf meinen Vater, der sich nicht bewegt und immer noch zusammengekauert dasitzt.
„Papa, neeiiiin!“, schreie ich, als sich ein Schuss loslöst. Wir zucken alle zusammen, halten uns die Hände schützend über den Kopf. Mein Herz pocht bis zum Hals. Doch dann sehe ich, dass der Schuss nicht auf meinen Vater abgefeuert worden war,
sondern in die Luft.
„Beweg dich oder der nächste Schuss trifft dich!“ schreit einer der Soldaten meinen Vater an. Er richtet die Waffe auf meinen Vater. Ich muß ihm helfen und renne in den Transporter zurück. Er liegt bewegungslos auf dem Boden. Mein Atem stockt, alles um mich herum dreht sich. Er ist tot. Ein kalter Schauer läuft über meinen Rücken. Die Männer zerren seinen leblosen Körper aus dem Transporter. Sprachlos schaue ich dem Geschehen zu und werde ebenfalls aus dem Transporter gezogen. Danach müssen wir uns alle vor dem Transporter in einer Reihe aufstellen.
Ein großer, kräftiger Mann in einer Uniform mit vielen Abzeichen und Sternen an den Schultern, brüllt uns an: „Mein Name hat euch nicht zu interessieren, ist das klar? Für euch bin ich nur der General und ihr redet mich alle mit Herr General an. Habt ihr mich verstanden? Wie ihr wisst, herrscht jetzt Krieg! Wir sind jetzt hier an der französischen Grenze. Der deutsche Kaiser Wilhelm hat uns befohlen, alle Männer und Jugendliche mitzunehmen, als Soldaten auszurüsten und an die Front zum Kämpfen zu schicken!" Jetzt weiß ich, warum wir hier sind. Um für das Vaterland zu töten!
"Begebt euch alle in das große Zelt dort drüben, das ist ein Befehl!", schreit uns der General an und zielt dabei mit dem Gewehr auf uns. Alle befolgen wortlos den Befehl des Generals. Im Zelt angelangt, schreit er uns wieder an: „Nun geht diese eine Hälfte von euch nach links rüber und diese Hälfte bleibt hier stehen!"
Ich muss stehen bleiben.
„Die Hälfte, die stehen geblieben ist, schnappt sich eine Hose, eine Jacke, Schuhe, ein Gewehr und einen 20 Kilo schweren Tornister gefüllt mit Proviant, einer Trinkflasche, einer Decke, Verbandsmaterial und Medikamenten und begibt sich danach nach draußen. Dort erhaltet ihr dann weitere Instruktionen. Die andere Hälfte wartet hier drin im Zelt auf weitere Anweisungen."
Ich schnappe mir ein Paar Stiefel, eine Jacke, eine Hose und ein Gewehr und gehe vor das Zelt. Es ist für mich kein gutes Gefühl, eine Waffe in der Hand zu halten, um Menschen zu töten. Ich fühle mich ohnmächtig. Nachdem die eine Hälfte der Gruppe komplett vor dem Zelt steht, meldet sich der General wieder: „Nun, eure Truppe ist dafür zuständig, alle Verwundeten im Grenzgebiet zu bergen und zu versorgen.“
Mit diesen Worten reicht er uns allen weiße Binden mit einem roten Kreuz darauf, die wir uns um den Oberarm binden müssen.„Ab an die Front, und glaubt ja nicht, dass ihr uns entkommt! Hahahahahaha...!“
Sein Lachen ist so schrecklich und schallend laut, man kann es noch weit bis in den Wald hören. Kurz darauf werden wir wieder in einen Transporter verfrachtet und von einem Oberst begleitet, auf dessen Befehle wir zu hören haben. Es dauert nicht lange bis die Türen wieder aufgerissen werden und wir schnell hinaus müssen. In der Ferne hören wir viele Schüsse und laute Explosionen. Vor uns liegt ein zwei Kilometer langer Fußmarsch in das Grenzgebiet. Der Marsch fühlt sich unter dem schweren Gewicht des Tornisters viel länger an. Die Schüsse und Explosionen werden immer lauter, wir sind fast da. Da vorne ist es, das Grenzgebiet zwischen Frankreich und Deutschland. Es ist ein sehr breiter, tief ausgehobener Graben, der fast so lang ist wie die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland. In ihm stehen Tausende von deutschen Soldaten, die gezwungen werden, an die Front zu gehen und ihr Vaterland zu verteidigen. Ich traue meinen Augen nicht! Und wir müssen jetzt da rein und die Verwundeten versorgen und bergen, soweit es uns möglich ist. Überall um mich herum sind immer mehr Schüsse und Explosionen zu hören. Ich halte mir beide Ohren zu und ducke mich.
„Ihr wisst was zu tun ist!“, schreit der Oberst. „Dann Bewegung!“
„Ich kann das nicht!“, schreie ich hilflos und weinend, werfe meine Ausrüstung zu Boden und renne blitzschnell weg.
„Fangt diesen Feigling und Vaterlandsverräter und bringt ihn zu mir!“
Das war das Letzte, was ich noch hörte. Ohne ein Ziel renne ich in den nahegelegenen Wald. Zwischen Bäumen und Büschen verliere ich nach kurzer Zeit die Orientierung und renne nur noch gerade aus. Außer Atem erreiche ich eine kleine Lichtung und mache dort eine kurze Pause. Ich lege mich kurz ins Gras und bemerke, dass ich nur eine geladene Pistole dabei habe. Viele Gedanken rasen durch meinen Kopf. Ich werde nicht mehr lange überleben, ich habe keine Chance. Soldaten verfolgen mich, ich habe nichts zum Essen und zum Trinken, es hat alles keinen Sinn mehr. Ich bin verloren, zwei wichtige Menschen sind nicht mehr am Leben, mein Vater und mein bester Freund James. Eine Träne tropft auf meine Hose. Es macht keinen Unterschied, ob ich jetzt sterbe oder an der Front. Die Soldaten werden mich auf keinen Fall töten. Ich ziehe die Waffe, halte sie mir an die Schläfe und flüstere: „Vergib mir, Mama.“ Um mich herum wird es schwarz.
Das Experiment
„Entschuldigen Sie, Miss Dunger, aber wir haben keinen Weißwein aus dem Jahre 1973 mehr“ stammelte Jeff, der Diener der Dungers missmutig.
,,Pardon ???“, sprach Miss Dunger mit gehobener Stimme und schickte ihren Diener zurück in das hauseigene Restaurant.
Die Dungers waren eine reiche Familie, da der Vater an der Börse sein ganzes Geld einsetzte und viel Gewinn machte. Vor allem ihr Sohn Maximilian profitierte von dem Reichtum seiner Eltern, da sie ihm jeden Wunsch erfüllten, den er hatte. Er war den Reichtum von Geburt an gewöhnt und hatte somit keine Vorstellung, wie es war, unter normalen Verhältnissen aufzuwachsen.
,,Jeff, hier her. Bring mir bitte eine Cola. Meinem Mund gelüstet es nach etwas Süßem“, befahl er dem Diener.
Heute in Abu Dhabi, morgen in St.Tropez. Max hatte alles, was er brauchte. Bis zu jenem Tag, an dem sein Vater wieder einmal zur Börse fuhr, an dem sich alles ändern sollte.
Am selben Abend verließen sie ihre Villa in Monaco und kehrten mit dem Flieger zurück in ihr Heimatland Deutschland. Max wunderte sich, dass sie in der zweiten Klasse im Flugzeug saßen und nicht mit ihrem Privatjet flogen. ,Naja, das ist bestimmt nur wieder so eine Idee von Mutter, um zu sehen wie normale Menschen reisen’, dachte Max und wünschte sich, dass Mutters Hirngespinste bald aufhörten.
Zurück in Deutschland standen die Dungers am Flughafen, wo ihr Sohn entsetzt feststellen musste, dass seine Eltern keine Limousine bestellt hatten sondern ein normales Taxi. Sie fuhren zu einem kleinen Haus in einer nicht sehr feinen Gegend und stiegen aus.
„Das ist unser neues Zuhause“, sagte sein Vater Wilhelm. Seine Mutter Marianne stupste ihren Mann an. ,,Wir sollten es ihm beichten, dass wir nun von Staatsgeldern leben müssen, bis du wieder einen guten Job gefunden hast“, sagte sie.
,,Was ist denn das für eine Baracke? Hier soll ich leben? Nein, das sehe ich nicht ein. In solchen Verhältnissen will und werde ich nicht leben und außerdem ...“ rief Max entsetzt. Sein Vater unterbrach ihn. ,,Verdammt noch mal, jetzt hör doch mal auf zu meckern und mach einen Punkt. Wir haben kein Geld mehr. Es ist alles weg. Wir sind jetzt auf den deutschen Staat angewiesen. Oder willst du etwa wie in Amerika auf der Straße sitzen und betteln? Wir müssen nun sparen, wo es nur geht, und dann werde ich versuchen, einen neuen guten Job zu bekommen.“
,,Was hast du gesagt? Du lügst. Das kann nicht sein. Wir hatten doch Millionen und jetzt soll alles weg sein? Niemals. Sag die Wahrheit, verdammt !!!“
,,Nein das war keine Lüge. Alles, was ich gerade eben gesagt habe, ist wahr und deswegen sind wir auch in Deutschland: Da wir hier Hartz 4 bekommen und nicht verhungern müssen wie in anderen Ländern“, erklärte der Vater.
Max wurde blass. ,,Gebt mir ein paar Minuten. Bitte lasst mich kurz in Ruhe. Das verkrafte ich nicht.“
Sein Vater schüttelte den Kopf. ,,Nein, warte noch kurz. Wir werden dich hier in der Stadt an einer Schule anmelden, da du in Deutschland schulpflichtig bist.“
,,Bitte? Was soll ich in der Schule? Ich kann mich auch so sehr gut artikulieren.“
Max war fassungslos, doch sein Vater blieb streng. ,,Das kannst du zwar, aber du musst auch rechnen können. Und eine Fremdsprache könntest du auch noch lernen.“
Der erste Schultag war sehr anstrengend für Max, vor allem, weil er bisher nur Privatunterricht in deutscher Sprache gehabt hatte und nun standen noch viel mehr andere Fächer auf dem Stundenplan. Allerdings hatte er am meisten Schwierigkeiten mit den anderen Mitschülern, die so einen komischen Akzent hatten und sich so komisch benahmen und herumalberten.
Die Situation besserte sich, als Vater Wilhelm einen Job fand, und somit konnten sie sich mehr leisten. Endlich konnten sie sich von besserem Essen ernähren und zogen in eine etwas besser ausgestattete Wohnung um. Somit sah Max die Welt mit ganz anderen Augen. Er sah auch arme Familien, die trotz ihres geringen Einkommens Spaß am Leben hatten und sich liebevoll um ihre Kinder kümmerten.
Mittlerweile hatte Max auch einen guten Freund gefunden mit dem er seit kurzem um die Häuser zog. Außerdem hatte er nun auch so einen eigenen Akzent.
Eines Tages rief ihn sein Vater zu sich. ,,So, mein Sohn, siehst du jetzt, dass man auch mit wenig Geld leben kann? Man kann auch ohne Villa, Diener und Kaviar auskommen!“
Max war erstaunt. „Bitte was? Wie redest du denn, was ist denn los?“
,,Das war ein Experiment !!!“, erwiderte Vater Wilhelm und schmunzelte.
Max verstand nur Bahnhof. ,,Wovon redest du?“
,,Das alles hier war ein Experiment. Wir sind gar nicht arm. Wir sind genau so reich wie vorher auch. Deine Mutter und ich wollten nur, dass du die Welt auch einmal mit anderen Augen siehst und nicht ständig über alles meckerst. Verstehst du es jetzt?“
,,Was? Wir sind gar nicht arm? Ihr habt das nur die ganze Zeit inszeniert, um mich zu erziehen?“, rief Max entrüstet. Das hätte er seinen Eltern nicht zugetraut.
Der Vater nickte. ,,Ja, genau so ist es. Unsere Tickets zurück nach Monaco sind für morgen Abend gebucht. Du kommst wieder nach Hause, mein Sohn. Freust du dich?“
Zuerst freute sich Max sehr, da er die Sonne und das Meer sehr vermisste. Jedoch kam ihm dann nach einiger Zeit in den Sinn, dass er dann seinen guten Freund Marko verlieren würde. Allerdings kam ihm dann eine brillante Idee: Er schenkte seinem Kumpel einen neues Laptop von seinem restlichen Geburtstagsgeld und somit konnten sie von einem zum anderen Teil der Erde chatten .
In Monaco angekommen, genoss Max die Tage am Meer mit Sonne, Wasser und seiner Familie. Er schätzte den Reichtum seiner Familie, vermisste jedoch seinen guten Freund Marko nach einiger Zeit. Es war einfach nicht das gleiche per Internet oder per Telefon Kontakt zu halten statt sich zu treffen.
So entschlossen die Dungers, eine kleine Wohnung in Deutschland zu kaufen, um ab und zu ein paar Tage in Deutschland zu verbringen, um den Aufenthalt in Monaco mehr zu schätzen.
Der mysteriöse See
An einem Sonntagnachmittag erfuhr ich, dass wir im Sommer an den See Phantom Hill im Ground Dog Reservoir in Missouri fahren wollten. Ich freute mich tierisch. An diesem See war ich als kleiner Junge oft gewesen und konnte mich nur wenig erinnern, aber diese Bruchstücke sind sehr schön. Ich heiße übrigens Curtis und meine Eltern heißen Alan und Carol. Mein Bruder Jack baut gerne Scheiße, deshalb wollten ihn meine Eltern erst nicht mitnehmen, doch das konnten sie nicht, weil sie dann ein schlechtes Gewissen gehabt hätten. Also nahmen sie ihn mit.
Wir wohnten in Detroit an der 8mile, deshalb konnten wir uns nicht so oft einen Urlaub leisten. Doch wenn es uns gelang, genug zu sparen, konnten wir für eine oder zwei Wochen runter nach Missouri fahren.
Es vergingen ein paar Wochen bis zu den Sommerferien. Doch dann war es so weit, die Koffer waren gepackt und alle saßen im Auto. Es waren knapp 590 Meilen zum See. Wir fuhren immer an Michigan City vorbei und holten uns dort noch Vorräte, weil dort alles so billig war. Dann fuhren wir weiter, bis wir das Schild von Hannibal, der letzten kleinen Stadt vor dem Lake Phantom Hill, sahen. Ich schaute aus dem Fenster, weil wir kurz zum Tanken anhielten und erschrak mich fast zu Tode. Ein alter, heruntergekommener Mann stand vor mir und sagte, ich solle mein Fenster runterkurbeln. Das tat ich auch. Er fragte mit seiner rauen Stimme: „Wo wollt ihr hin?“
„Zum Lake Phantom Hill“, antwortete mein Vater.
Der Alte nickte. „Ich kenne da eine Abkürzung, die erspart euch 30 Minuten.“
Mein Vater überlegte es sich, sagte dann aber nein, weil er ein komisches Gefühl bei der Sache hatte.
Wir fuhren also weiter. Die Straßen waren leergefegt. Und das war sehr ungewöhnlich, weil es doch so ein beliebter Ferienort war. Wir fuhren weiter und dachten uns nichts dabei. Endlich, nach acht Stunden Fahrt, kamen wir an.
Doch wir waren alle geschockt: Der Campingplatz, auf dem wir immer als Kinder gewesen waren, war völlig leer. Mein Vater arrangierte mit seinem letzten Geld eine kleine Ferienwohnung am See. Ich ging den Schlüssel abholen in einer Bar. Die Leute sagten, dass der Besitzer auf dem Klo war und ich auf ihn warten sollte. Ich stand am Tresen, bis eine alte Frau auf mich zutrat und sagte, dass der Besitzer der Ferienwohnung nicht kommen konnte. Sie sollte mir den Schlüssel überreichen. Ich nahm ihn an mich.
Wir fuhren zu einer kleinen Halbinsel auf der anderen Seite des Sees. Das kleine Haus war sehr alt und brüchig. Wir packten aus und legten uns in die vier Betten, die auf zwei Zimmer verteilt waren. Plötzlich hörte ich ein sehr lautes Schreien. Ich rannte rüber in das Zimmer meiner Eltern, doch sie waren beide verschwunden. Ich hatte Angst. Mein Bruder kam direkt hinter mir her und fragte, wo sie seien. Ich wusste es nicht.
Plötzlich knallte es laut, die Tür unten war zugegangen. Mein Bruder und ich rannten runter um die Person, die wir entdeckt hatten, zu verfolgen. Doch sie fuhr mit dem Auto weg, und wir sahen nur noch eine große Staubwolke. Mein Bruder fragte mich, ob ich das Klopfen auch gehört hatte. „Ich habe nichts gehört, aber vielleicht waren Ma und Pa ja im Kofferraum“, sagte ich zu meinem Bruder.
Er meinte, wir sollten den Autoreifenspuren folgen. Genau das taten wir und kamen schließlich auf ein altes Holzfabrikgelände. Ich hatte ein schlechtes Gefühl bei der Sache. Wir hörten ein lautes Schreien und wir dachten sofort, dass es unsere Eltern sind. Wir orientierten uns an den Geräuschen und kamen in ein altes, abgelegenes Gebäude. Wir liefen hinein und sahen etwas, was mich total verstörte: Meine eigenen Eltern waren gefesselt und bewusstlos. Ich dachte mir, was hat dieses kranke Arschloch mit meinen Eltern gemacht. Mein Bruder sagte, ich solle warten: Er ging zu meinen Eltern. Plötzlich kam jemand aus dem Dunkel auf ihn zu und schlug ihm mit einem Hammer auf den Kopf. Ich schrie und erkannte, dass es der Mann von der Tankstelle war. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Also rannte ich um mein Leben, weiter und weiter, bis ein Haus im Wald auftauchte, in dem Licht brannte. Ich klopfte ein paar dutzendmal an die Tür, bis eine Frau kam, die mich fragte, was ich hier so spät mache. Sie ließ mich rein und ich sah, dass es die Alte war, die mir den Schlüssel überreicht hatte. Sie setzte mich auf die Couch und ich bat sie, die Polizei zu rufen. Doch sie sang nur irgendein Kinderlied. Ich hatte tierische Angst.
Es klopfte an der Tür und die Frau lief hin. Als sie die Tür öffnete, hörte ich, wie sie sagte: „Ah, mein Sohn. Endlich bist du da.“
Ich hörte ein lautes Stampfen und konnte meinen Augen nicht trauen: Der Mann, der meinen Bruder erschlagen und meine Eltern entführt hatte, trat ins Wohnzimmer mit drei Säcken, die an seiner Hose befestigt waren. Ich konnte mir denken, was da drinnen war. Ich war unter Schock und wollte losrennen, doch bevor ich nur ein Bein bewegen konnte, hielt mich der Mann fest. Ich schrie und schrie, er sagte zu mir, ich solle leise sein oder er würde mich töten.
Auf einmal sagte er, ich dürfte gehen. Bevor ich überhaupt nachdenken konnte, bin ich schon losgerannt und zu ihnen gekommen. Herr Polizist, bitte helfen sie mir bitte! Er hat meine ganze Familie getötet!
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