Der aus Salzburg auf Einladung des Freundeskreis der Schule im Sand e.V. im Rahmen des Schreib- und Literaturprojektes „Deutsch geht gut!“ angereiste österreichischer Schriftsteller Vladimir Vertlib las gestern aus seinem neuen Buch „Mein erster Mörder“ i
Vertlib verstand es mit seinem österreichischen Dialekt und Charme, die Zuhörer durch seine drei vorgestellten Lebensgeschichten seines neuen Erzählbandes „Mein erster Mörder“ zu fesseln. In der ersten Geschichte, die dem Buch auch seinen Titel gab, schilderte er aus der Perspektive des15jährigen Leopold Ableitinger die Lebensumstände seiner Familie nach dem Krieg in Wien. Mit einem ihm eigenen Schuß Ironie und Detailschilderungen der damaligen Lebenswirklichkeit gelang es Vertlib eine eindrückliche Atmosphäre der agierenden Romanfiguren für die Zuhörer entstehen zu lassen. Leopold wächst in engen Wohnverhältnissen als Sohn einer Proletenfamilie auf, darf auf das Gymnasium und muß dort mit den damaligen Vorurteilen der Lehrer gegenüber Arbeiterkindern leben. In den Tagebüchern seiner Großtante, mit der er ein Zimmer teilen muß, entdeckt er die Verwicklungen seines autoritär-brutal auftretenden Vaters im Zweiten Weltkrieg. Vertlib ließ das zu lüftende Geheimnis, das Leopold auf der Spur ist, offen. Die Neugierde bei den Zuhörern war geweckt. Als weitere Kostprobe verabreichte Vertlib einen Ausschnitt aus der dritten Lebensgeschichte, wie der Untertitel des Buches hieß, mit der Überschrift „Nach dem Endsieg“, in der es um die Überlebensgeschichte des real existierenden Robert Haller handelt, der im Buch Robert Hamminger heißt. Hier beschließen zwei Freunde aus der Wiener Neustadt über Kärnten und Jugoslawien nach Palästina zu flüchten. Auf Bitten der Zuhörer liest Vertlib bereitwillig noch einen Ausschnitt aus der zweiten Erzählung „Mein Bastard“. Hier geht es um einen Geschäftsmann, der 1900 geboren wurde, im heutigen Tschechien lebt und deutschstämmiger Halbjude ist, gläubiger Christ sowie eine politische Überzeugung als Marxist besitzt. Vertlib stellt seine Figur als einen Menschen vor, der immer auf der falschen Seite des jeweiligen Lebensabschnittes steht.
Vertlib beschreibt seine Arbeit als auf realen Lebensgeschichten bestehende literarisch verfremdete Erzählungen und es gelingt ihm meisterhaft, die schweren Lebensschicksale und –umstände durch emphatische Schilderungen dem Leser näher zu bringen und vor dem inneren Auge entstehen zu lassen.
Vladimir Vertlib wird noch an der Realschule Bissingen und der Schule im Sand Literaturgespräche mit Schülern führen, die nach den Januar-Lesungen spontan beschlossen haben, seine Bücher als Klassenlektüre zu lesen.