Schulartenübergreifend haben sich vier Schulfördervereine zusammen getan, um an insgesamt vier weiterführenden Schulen in Bietigheim-Bissingen positive Erfahrungen im Umgang mit der deutschen Sprache ergänzend zum Regelunterricht zu vermitteln. Insbesondere an den zwei Gemeinschaftsschulen (früher Hauptschulen), der der größten Realschule der Stadt und der Gustav-Schönleber-Schule ist der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund besonders hoch. Hier setzt das Projekt an, in dem es den Schülern, die im Erwerb der deutschen Sprache im Unterricht oft frustrierende Erfahrungen machen, aufzeigt, dass es sich lohnt, die deutsche Sprache zu erwerben, denn Sprachkompetenz ist der Schlüssel zur Integration. Die drei gemeinnützig anerkannten Fördervereine sind:
Freundeskreis der Realschule im Aurain e.V.
Förderverein der Waldschule Bissingen e.V.
Förderverein der Gustav-Schönleber-Schule e.V.
Freundeskreis der Schule im Sand e.V. (federführend und Antragsteller)
Der Oberbürgermeister der Stadt hat die Schirmherrschaft für das Projekt seit dem Start des Projektes vor 14 Jahren übernommen.
Die Ziele des Projektes „Deutsch geht gut!“
Die Ziele wurden aufbauend auf den Vorerfahrungen auf folgende Aspekte konzentriert:
- Interesse für die deutsche Sprache wecken
- Die Beschäftigung mit deutscher Literatur anhand von Textproben durch eine persönliche Begegnung mit dem Autor verstärken
- Kennenlernen von Autoren, die einen erfolgreichen Umgang mit Deutsch als Nichtmuttersprachler pflegen, um die Motivation zur Auseinandersetzung mit deutschen Sprache insbesondere für die Schüler mit Migrationshintergrund zu erhöhen
- Vermittlung von authentischen Erlebnissen durch die persönliche Schilderung der Autoren
- Interkulturelle Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Autoren unterschiedlicher Nationalitäten sammeln
- Erziehung zu sprachlich-bildnerischem Denken und Stärkung der eigenen Wahrnehmungs-, Ausdrucks- und Wirkungsmöglichkeiten
- Steigerung der Attraktivität des Deutsch-Unterrichts insbesondere für Schüler, die Deutsch nicht als Muttersprache haben
- aktivierende Auseinandersetzung mit Deutsch als kreatives Sprachgestaltungselement in Schreibwerkstätten durch einen konkreten eigenen Beitrag
- Präsentation der Ergebnisse der Schreibwerkstätten in der Öffentlichkeit als zusätzliche Motivation und Anerkennung der Workshop-Arbeit (Kooperation mit der Lokalzeitung)
- Entwicklung einer Medienkompetenz im Sinne einer verantwortungsvollen und kreativen Mediennutzung (online-Veröffentlichung der Schülertexte)
Zielgruppe
Das Projekt „Deutsch geht gut!“ richtet sich an die Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 13 – 17 Jahren an den zwei Gemeinschaftsschulen (Schule im Sand & Waldschule), an der Realschule im Aurain sowie der Gustav-Schönleber-Schule Bietigheim-Bissingen. Die teilnehmende Schülerzahl beträgt 600 Schüler. Es beteiligen sich insgesamt 26 Schulklassen an dem Projekt. Die Autorenlesungen sind der entscheidende Impuls für die Schüler anschließend eine Schreibwerkstatt zu besuchen.
Projektbeschreibung
Das Projekt besteht aus folgenden Bausteinen:
a) Autorenlesungen
Vor allem Autoren nichtdeutscher Herkunft, die aber in deutscher Sprache publizieren, stellen ihre Werke den Jugendlichen vor und diskutieren mit ihnen. Die Texte der Autoren werden vorher intensiv im Unterricht behandelt und die Schüler setzen sich mit den Biographien der Autoren auseinander. Jede Klasse erhält Besuch von einem Autor, so dass die Konzentration auf seine Texte gewährleistet ist. Die Begegnung mit den Autoren findet in zwei Unterrichtsstunden am Vormittag statt. Alle Autoren können abends in einer öffentlichen Lesung für Schüler in einer der beteiligten Schulen und in einer öffentlichen Lesung für Erwachsene in der Stadtbücherei erlebt werden. Alle fünf Autoren haben bereits verschiedene öffentliche Anerkennungen ihrer Literatur erfahren. Die Autoren sollen vor allem bei den Jugendlichen das Interesse für die deutsche Sprache wecken und gleichzeitig Mut machen, ihre eigenen Gedanken in Worte zu fassen und Impulsgeber für die Schreibwerkstätten sein. Ferner soll das Interesse geweckt werden, ein Buch eines Autors als Klassenlektüre nach der Autorenbegegnung zu lesen. Nach den Autorenlesungen schließen sich häufig noch intensive Email-Korrespondenzen zwischen den Schülern und den Autoren an. Dieser Kontakt hält oft noch bis zu einem halben Jahr nach den Lesungen. Einzelne Schüler senden ihre Texte an die Autoren und treten in einen Austausch mit den Autoren.
b) Wöchentliche Schreibwerkstätten
Angeregt durch die Auseinandersetzungen mit den Autoren und ihren Werken und angeleitet von erfahrenen Dozenten (bspw. aus dem Literaturhaus Stuttgart) verfassen die Jugendlichen eigene Texte in verschiedenen Stilrichtungen (Lyrik, Prosa, Rap). Das besondere Anliegen des Projektes ist es, dass die Schüler ihre eigenen Texte verfassen; sie aus dem Vorbild der Autoren den Mut fassen, selbst Texte zu schreiben. Dies geschieht außerhalb eines schulischen Rahmens durch Schreibdozenten, die andere Zugänge zu den Schülern haben und eine freie Textgestaltung unterstützen.
c) Publikation im Internet
Die Jugendlichen können ihre fertigen Texte in einem Redaktionssystem auf der Projekthomepage www.deutsch-geht-gut.de selbst veröffentlichen.
Kooperationspartner
Die Lehrer der Klassenstufen 7 – 10 der zwei Gemeinschaftsschulen (Schule im Sand:
8 Klassen; Waldschule: 7 Klassen), die Realschule im Aurain: 8 Klassen), die Gustav-Schönleber-Schule Bietigheim-Bissingen (4 Klassen), die Elternbeiräte bzw. Fördervereine der Schulen sowie die Firma Multimedia-Agentur „dierezeptoren“, vertreten durch Herrn Rainer Gautschi. Die Stadtbücherei bildet den idealen Rahmen für eine der zwei öffentlichen Lesungen. Die Lokalzeitung tritt als Medienpartner auf und begleitet die Veranstaltungen publizistisch.
Welche gesellschaftlichen Probleme oder Fragen greift das Projekt auf?
Die Einladung von bekannten und erfolgreichen Autoren vermittelt den Schüler die Erfahrung, dass es sich lohnt, sich mit der deutschen Sprache zu beschäftigen. Der Umgang mit der deutschen Sprache wird positiv vermittelt. Die persönliche Begegnung mit Autoren liefert den Jugendlichen eine authentische Erfahrung im Umgang mit persönlich Erlebtem und Literatur. Es schafft auf einer unmittelbaren persönlichen Ebene eine Erfahrung, die dazu führen kann, dass Jugendliche ihre heimlich geschriebenen Gedichte den Autoren nach den Schulstunden anbieten und sich ihnen öffnen. Das Projekt soll deutlich machen, dass deutsche Sprachkenntnisse der Schlüssel für eine Teilhabe an der deutschen Gesellschaft ist und damit der Schlüssel zur Integration. Die Autoren stehen sinnbildlich für eine erfolgreiche Integration – trotz schwieriger biographischer Ausgangsbedingungen. Die Zweisprachigkeit soll als Chance und nicht als Manko vermittelt werden. Die oftmals erstmalige Begegnung der Schüler mit einem Autor schafft die Motivationsgrundlage für den Besuch der sich anschließenden zehnwöchigen Schreibwerkstätten. Hier soll über einen längeren Zeitraum die Verschriftlichung der eigenen Gedanken zu einer nachhaltigen Form der Textproduktion bei den Jugendlichen führen.
Welche Erfolge hat das Projekt bislang vorzuweisen?
Die Presse beurteilte die Ergebnisse der Schreibwerkstätten der bisherigen Projektdurchläufe, die sich an die Lesungen anschlossen, als besonders bemerkenswert. Es konnte gezeigt werden, wie ein erfolgreicher Weg zur Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache beschritten werden kann. Die letztjährigen Autoren beurteilten das Projekt ausnehmend positiv und waren überrascht, wie konzentriert und interessiert die Schüler an ihrer Literatur waren (sh. auch die Erfahrungsberichte der Autoren auf der Projekthomepage www.deutsch-geht-gut.de).
Eine bundesweite öffentliche Anerkennung erfuhr das Projekt durch die Nominierung für den Bürgerpreis 2003 der Initiative „für mich, für uns, für alle“ und durch die Verleihung des Innovationspreises 2004 durch den Kreisjugendring Ludwigsburg e.V.
Am 29.09.2007 wurde das Projekt als beispielgebende vorbildliche kommunale Bürgeraktion im Land durch den damaligen Ministerpräsident Günther Oettinger ausgezeichnet. Unser Vorhaben wurde als „vorbildlich für das Gemeinwesen“ bezeichnet und zur Nachahmung empfohlen.
Das Projekt wurde von der Stiftung Bürgermut in ihr online-Portal „die Weltbeweger“ (www.weltbeweger.de) 2008 aufgenommen und dort als beispielgebendes Projekt für andere aktive Bürger dargestellt.
Roland Bender
– Ehemaliger Projektleiter –